Verordnung über die Schaffung eines Unternehmens „Deutsche Reichsbahn“
vom 12. Februar 1924.
Auf Grund des Ermächtigungsgesetzes vom 8. Dezenber 1923 (Reichsgesetzbl. I S, 1179) verordnet die Reichsregierung nach Anhörung der Ausschüsse, des Reichsrats und des Reichstags:
§ 1
Das Deutsche Reich schafft in Vollzug des Artikel 92 der Reichsverfassung unter der Bezeichnung „Deutsche Reichsbahn" ein selbständiges, eine juristische Person darstellendes wirtschaftliches Unternehmen, durch das die im Eigentume des Reichs stehenden Eisenbahnen betreibt und verwaltet.
Die Deutsche Reichsbahn ist nicht befugt, das Betriebsrecht ganz oder teilweise auf Dritte zu übertragen oder ihr Vermögen als Ganzes oder zu einem wesentlichen Teile auf Dritte zu veräußern.
Die rechtliche Gestalt des Unternehmens Deutsche Reichsbahn kann nur durch ein Reichsgesetz geändert werden; im Falle seiner Auflösung fällt das Vemögen des Unternehmens dem Reiche zu.
§ 2
Die Geschäfte des Unternehnmens Deutsche Reichsbahn werden bis zum Inkrafttreten des im § 10 Abs. 1 vorgefehenen Gesetzes unter Aufsicht- und Leitung des Reichsverkehrsmtinisters geführt.
§ 3
Das Unternehmen Deutfche Reichsbahn umfaßt die Reichseisenbahnen mit allem Zubehör und allen damit verbundenen Rechten und Plichten, einschließlich der Bodenseedampschiffahrt und der sonftigen Nebenbetriebe der Reichsbahnverwaltung.
Alle Froderungsrechte und Schulden des Reichs, die mit dem Reichseisenbahnunternemen verbunden sind, gehen auf die Deutsche Reichsbahn über. Für andere Verpflichtungen des Reichs Haftet das Unternehmen nicht. Der Eintritt der Deutschen Reichsbahn in die mit dem Reichseifenbahnunternehmnen verbundenen laufenden Verträge hat Rechtswirksamkeit auch gegenüber den bisherigen Vertragsgegnern des Reichs, für Verbindlichkeiten aus dem Staatsvertrag über den übergang der Staatseifenbahnen auf das Reich nebst Schlußprotokoll bleibt das Reich den Ländern verhaftet (vergleiche §10 Abs. 2). Die Länder können jedoch die Erfüllung dieser Verbindlichkeiten auch von dem Unternehmen fordern; ausgenommen sind die vom Reich übernommenen Länderschulden sowie die Schulden des Reichs an die Länder wegen des Restkaufgeldes. Das Unternehmen haftet für den Dienft dieser Schulden.
§ 4
Das Deutsche Reich bleibt Eigentümer der Reichseifenbahnen. Neue Bauten und Beschaffungen fallen in das Eigentium des Reichs. Die vorhandenen und die künftig erworbenen Geldbestände und Stoffvorräte werden jedoch Eigentum des Unternehmens. Das Unternehmen darf innerhalb der Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft über das Eigentum und die Rechte des Reichs verfügen. Zu einer Veräußerung der Reichseisenbahnen im ganzen oder einzelner Strecken ist das Unternehmen nicht befugt.
Die im Eigentume des Deutschen Reichs stehenden Eisenbahnen Haften — unbeschadet der Bestimmungen im § 10 Abs. 2 — nur fiir Verpflichtungen aus der Verwaltung der Reichseisenbahnen, nicht für die übrigen Verpflichtunge bes Reichs.
Für seine mit dem Reichseisenbahnunternemen verbundenen Verpflichtungen haftet das Reich nur mit den in seinem Eigentume stehenden Eifenbahnen.
§ 5
Die Deutsche Reichsbahn kann bis zum Erlasse des im § 10 Abs. 1 vorgesehenen Gesetzes zur Deckung auserordentlichen Bedarfs, insbesondere auch für werbende Anlagen, auf da8 von ihr verwaltete Vermögen Kredite aufnehmen. Die Aufnahme von Krediten, die Bestellung von Sicherheiter und die Übernahme von Bürgschaften bedarf der vorherigen Verständigung mit dem Reichsminister der Finanzen.
§ 6
Die Verwaltung der Deutschen Reichsbahn ist unabhängig von des sonstigen Reichsverwaltung zu führen.
Die für die Reichsverwaltung bestehenden Gesetze und Verordnungen gelten als solchee für das Unternehmen Deutche Reichsbahn nicht. Der Inhalt Der Vorschriften ist aber so lange und so weit anzuwenden, als die Reichsregierung ihre Anwendung nicht aufhebt. über die Rechungsprüfung hat die Deutsche Reichsbahn mit dem Rechnungshof eine besondere Vereinbarung zu treffen, die dem Bedürfnis einer sachgemäßen Prüfung entsprechen muß.
Zu Steuerleistungen und sonstigen Abgaben ist das Unternehmen Deutsche Reichsbahn nicht in weiterem Umfang heranzuziehen, als die Reichseisenbahnverwaltung nach den jetzt geltenden Gesetzen der Besteuerung unterliegt.
§ 7
Soweit die Dienstbezüge der Beamten der Deutschen Reichsbahn nicht durch Reichsgesetze geregelt sind, dürfen sie im Vergleiche zu den Dienstbezügen gleichzubewertender Reichsbeamter nur dann günstiger geregelt werden, wenn diese günstigere Regelung zur Aufrechterhaltung eines geordneten und leistungsfahigen Betriebs oder Verkehrs notwendig ist. Das gleiche gilt, wenn die günstigere Regelung eine gedeilichen Fortentwicklung des Eisenbahnwesens zu fördern geeignet ist und der sich aus der günstigeren Regelung ergebende Vorteil die in anderer Hinsicht entstehenden oder zu exwartenden Nachteile überwiegt
Neue Vorschriften über Dienstbezüge der Beamten der Deutschen Reichsbahn sind, soweit sie nicht Reichgesetze sind oder eine reichsgesetzliche Regelung wiedergeben, dem Reichsminister der Finanze mitzuteilen. Der Reichsminister der Finanzen kann, soweit die Vorschriften nach seiner Auffassung eine qünstigere Regelung vorsehen, als nach Abs. 1 zulässig ist, spätestens binnen zwei Wochen nach der Mitteilung beim Reichsverkehrsminister Einspruch (§ 5 des Besoldungsgesetzes) erheben.
In Fällen plötzlicher Betriebsstockungen oder zeitlich, örtlich und hinsichtlich des Geldaufwandes begrenzter Vesuche können Anordnungen im Sinne des Abs. 1 auch ohne die vorherige Zustimmung des Reichsministers der Finanzen vorläufig in Kraft gesetzt werden. Sie sind unverzüglich dem Reichsminister der Finansen mitzuteilen und aufzubeben, wenn das Schiedsgericht (§ 7 Abs. 1 des Besoldungssperrgesetzes) sie auf dessen Antrag für unzulässig erklärt.
Im übrigen gelten entsprechend die §§ 2 Abs. 1, 6 bis 8, 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 und 2, 12 und 13 des Gesetzes zur Sicherung einer einheitlichen Regelung der Beamtenbesoldung vom 21. Dezember 1920 — Reichsgesetzbl. S. 2117 — (Besoldungssperrgesetz).
§ 8
In den allgemeinen Haushalt des Reichs und auf die allgemeine Rechnung des Reichs ist der Reinüberschuß der Deutschen Reichsbahn und der Aufwand für den Dienft der zum Zwecke der Reichseisenbahnen aufgenommenen Reichsschulden aufzunehmen.
Die Deutsche Reichsbahn hat ihre Ausgaben selbst zu bestreiten.
§ 9
Bis zum Infrafttreten des im § 10 Abs. 1 vorgesehenen Gesetzes bleibt die Mitwirkung der Reichsregierung in folgenden Angelegenheiten vorbehalten:
- Feststellung des Voranschlags, Aufstellung der Bilanz und Entlastung der Verwaltung bezüglich der Jahresrechnung,
- Änderung der Sätze der Normaltarife,
- Kündigung und grundsätzliche Änderungen der Lohntarife für Angestellte und Arbeiter.
Die Rechsregierung kann diese Mitwirkung einem mit ihrer Zustimmung zu bildenden Verwaltungsrat übertragen. Der Reichsverkehrsminister isf verpflichtet, der Reichsregierung sowie dem Reichstag über die Angelegerheiten des Unternehmens Auskunft zu geben.
Die Reichsregierung beschließt über die Genehmigung der Bilanz und der Gewinn- und Verlusstrechnung.
Die Reichsregierung hat dem Reichstag und dem Reichsrat zu der Beratung über den Reichshaushalt, den Jahresbericht der Deutschen Reichsbahn nebst Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz mit den Prüfungsbemerkungen vorzuleqen.
§ 10
Die Vorschriften der §§ 1 bis 9 gelten bis zum Erlaß eines Gesetzes über die Deutsche Reichsbahn.
Das Reichsgesetz vom 30. April 1920, betreffend des Staatsvertrag über den Übergang der Staatseisenbahnen auf daß Reich (Reichsgesetzbl. S. 775), und sie Bestimmungen des am 28. Juni 1919 in Versailles unterzeichneten Vertrags (Reichsgesetzbl. S. 687) werden durch diese Verordnung nicht berührt.
Berlin, 12. Februar 1924
Der Reichskanzler
Marx
Der Reichsverkehrsminister
Oeser
Vorläufige Verwaltungsverordnung der Reichseisenbahnen
Vom 26. April 1920
l. Allgemeines
§ 1
1. Die Reichseisenbahnen besteben aus den bisherigen deutschen Staatseisenbahnen, und zwar aus den vereinigten preußischen und hefssischen, den bayerischen, sächsischen, württemberagischen, badifschen, mecklenburgischen und den oldenburgischen Staatseisenbahnen.
2. Die Reichseisenbahnen werden als einheitliche Verkehrsanstalt und als selbständisches wirtschaftliches Unternehmen verwaltet und betrieben
II. Reichseisenbahnbehörden und Zuständigkeiten
§ 2
1. An der Spitze der Reichseisenbahnverwaltung steht der Reichsverkehrsminister.
2. Er übt seine Befugnisse mit Hilfe eines oder mehrerer Stellvertreter (Staatssekretäre) durch die Eisenbahnabteilungen und durch die Zweigstellen des Reichsverkehrsministeriums aus.
3. Zweigstellen des Reichsverkehrsministeriums sind:
- Für den Bereich der früheren vereinigten preußischen und Hessischen Staatseitsenbahnen: die bisherigen Eisenbahnabteilungen des preußischen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten unter der Bezeichnung „Reichsverkehrsministertum, Zweigstelle Preußen-Hessen". Die bisherige Eisenbahnabteilung des Hessischen Finanzministeriums wird im Rahmen ihrer Befugnisse aus dem Staatsvertrage zwischen Preußen und Hessen über die gemeintschaftliche Verwaltung des beiderseitigen Eifenbahnnetriebes vom 25. Juni 1896 an den Geschäften der Zweigftelle beteiligt.
- Für den Bereich der früheren bayerischen Staatseisenbahnen: die bisher für die Eisenbahnangelegenbeiten zuständigen Teile des Bayerischen Verkehrsministeriums, unter der Bezeichnung „Reichsverkehrsministerium, Zweigstelle Bayern"
- Für den Bereich der früheren sächsischen Staatseisenbahnen: die bisherige Eisenbahnabteilung des Sächsischen Finanzministeriums unter der Bezeichnung „Reichsverkehrsministerium, Zweigstelle Sachsen‘‘.
- Für den Bereich ber früheren württembergischen Staatseisenbahnen: die bisherige Verkehrsabteilung des württembergischen Ministeriums der auswertigen Angelegenheiten unter der Bezeichnung „Reichsverkehrsministerium, Zweigstelle Württemberg‘‘.
- Für den Bereich der früheren badischen Staatseisenbahnen: die bisherige Eisenbahnabteilung des Badischen Finanzministeriums unter der Bezeichnung „Reichsverkehrsiministerium, Zweigstelle Baden".
- Für den Bereich der früheren mecklenburgischen Staatseisenbahnen: die Eisenbahn-Generaldirektion in Schwerin ohne befondere Bezeichnung.
- Für den Bereich der früheren oldenburgischen Staatseifenbahnen: die Eisenbahhndirektion in Oldenburg ohne besondere Bezeichnung.
§ 3
Die Zuständigkeit des Reichsverkehrsministertums erstreckt sich auf folgende Angelegenheiten: Aufsicht, Oberste Leitung, Festlegung des Haushalts, Verteilung der Haushaltsmittel, Regelung der allgemeinen Verkehrspolitik, Festlegung allgemeiner Dienstvorschriften, Erlaß einheitlidher Vorschriften für Rechts- und Dienstverhältnisse des Personals, für das Kassen- und Rechnungswesen und für die einzelnen Dienstzweige des Betriebs, Verkehrs und Baues, Vertretung der Verwaltung gegenüber der Reichsregierung, dem Reichsrat und dem Reichstag. Zur Erfüllung dieser Aufgaben steht dem Reichsverkehrsminister ein durchgreifendes Anordnungsrecht zu. Im einzelnen ergeben sich die Zuständigkeiten aus der Anlage.
§ 4
1. Mit dem Inkrafttreten dieser Vermwaltungsordnung übernimmt der Reichsverkehrsminister die oberste Leitung der Reichseisenbahnen und die Vertretung der Verwaltung gegenüber der Reichsregierung, dem Reichsrat und dem Reichstag. Ihm steht hierzu ein durchgreifendes Anordnungsrecht zu.
2. Die übrigen Aufgaben gemäß § 3 übernimmt der Reichsverkehrsminister nach und nach für alle Länder gleichmäßig bis zum 1. April 1921; er verlängert nötigenfalls diese Frist.
§ 5
1, Die Zweigstellen erledigen außer den zur Zuständigkeit des Reichsverkehrsministeriums gehörenden, vom Reichsverkehrsminister noch nicht übernommenen Angelegenheiten (vgl. § 4 Abs. 2) bis auf weiteres auch diejenigen Verwaltungsgeschäfte, die von den bisherigen Landeszentralbehörden auf sie übergehen.
2. Sie können mit Genehmigung des Reichsverkehrsministers den Geschäftskreis der nachgeordneten Stellen anderweit festsetzen.
§ 6
1. Dem Reichsverkehrsminister und den Zweigstellen unterstehen die Eisenbahn-Generaldirektionen, die Eifenbahndirektionen, die zentralen Ämter sowie die ihnen nachgeordneten Dienststellen. Dem Reichsverkehrminister untersteht ferner die Reichseisenbahn-Zweigstelle in Karlsruhe.
2. Sie führen ihre Geschäfte im Namen und für Rechnung des Reichs bis auf weiteres nach Maßgabe der bisherigen Vorschriften.
III. Geschäftsverkehr der Reichseisenbahnbehörden
§ 7
1. Die Zweigstellen werden auch in den von ihnen an den Reichsverkehrsminister abgegebenen Gefchäften über wichtige Angelegenheiten dauernd unterrichtet werden, Das Nähere wird durch befondere Anordnung des Reichsverkehrsministers geregelt.
2. Der Reichsverkehrsminister behält sich vor, mit allen Stellen der Reichseisenbahnverwaltung unmittelbar zu verkehren. Soweit hierbei ein schriftlicher Verfehr mit einer nicht unmittelbar untergeordneten Stelle stattfindet, wird die Beteiligung der Zwischenstellen dadurch sichergestellt, daß der Schriftverkehr durch die Zwischenstellen durchläuft oder ihnen in dringenden Fällen abschriftlich zur Kenntnisnahme zugeht.
§ 8
1. Die Zweigstellen unterrichten den Reichsverkehrsminister möglichst frühzeitig von allen wichtigen Maßnahmen, die sie innerhalb seiner Zuständigkeit treffen wollen.
2. Über Vorgänge und Maßnahmen, deren Kenntnis für den Reichverkehrsminister von Wert ist, ist ihm auch dann Bericht zu erstatten, wenn die in Frage kommenden Angelegenheiten ihm nicht vorbehalten sind.
IV. Geschäfte von Landesverwaltungen
Auf Antrag einer Landesregierung wird der Reichsverkehrsminister den Reichseitsenbahnbehorden Geschäfte der Landesverwaltung auf dem Gebiete des Verkehrswesens übertragen. Für die Erledigung dieser Geschäfte sind die Anweisungen der obersten Landesbehörden maßgebend.
Berlin, den 26. April 1920,
Der Reichsverkehrsminister
Dr. Bell
Gesetz über die Personalverhältnisse bei der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft
(Reichsbahn-Personalgesetz)
Vom 30. August 1924.
Der Reichstag hat das folgendes Gesetz beschlossen, das mit Zustimumung des Reichsrats hiermit verkündet wird:
§ 1
(1} Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft übt die Befugnisse durch Beamte (Reichsbahnbeamte), Angegestellte und Arbeiter aus.
(2) Die Ernennung zum Reichsbahnbeamten setzt den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit voraus. Durch Staatsverträge festgelegte Ausnahmen bleiben unberührt.
§ 2
Soweit die Reichsbahnbeamten nicht unter dem ausdrücklichen Vorbehalte des Widerrufs oder der Kündigung angestellt werden, gelten sie als auf Lebenszeit angestellt.
§ 3
(1) Der Reichsbahnbeamte hat seine Dienstgeschäfte unter Wahrung der Reichsverfassung und der Gesetze gewissenhaft wahrzunehmen und durch sein Verhalten in und außer dem Dienste der Achtung, die sein Beruf erfordert, sich würdig zu erweisen.
(2) Über Angelegenheiten der Gesellschaft, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder vorgeschrieben ist, hat der Reichsbahnbeamte Verschwiegenheit zu beobachten, auch nachdem das Dienstverhältnis gelöst ist. Bevor ein Reichsbahnbeamter als Sachverständiger ein außergerichtliches Gutachten abgibt, hat er dazu die Genehmigung einzuholen. Ebenso haben Reichsbahnbeamte, auch nachdem das Dienstverhältnis gelöst ist, ihr Zeugnis über Tatsachen, auf die sich ihre Verpflichtung zur Verschwiegenheit bezieht, insoweit zu verweigern, als sie nicht von dieser Verpflichtung ım Einzelfall entbunden sind.
(3) Die Ausübung eines Nebenerwerbes oder einer Nebenbeschäftigung, bei Eintritt in den Vorstand, Verwaltungs- oder Aufsichtsrat einer auf Erwerb gerichteten Gesellschaft und die Annahme von Geschenken oder Belohnungen in Bezug auf ihre Dienstgeschäfte ist den Reichsbahnbeamten nur mit Genehmigung gestattet.
§ 4
Die einstweilen in den Ruhestand versetzten Reichsbahnbeamten sind bei Verlust des Wartegeldes zur Annahmne eines ihnen übertragenen Reichsamts oder eines ihnen angebotenen Gesellschaftdienstes verpflichtet, wenn das Amt oder der Dienst ihrer Berufsbildung und die Amts- oder Dienstbezeichnung sowie das Diensteinkommen der früheren Tätigkeit im Geselschaftsdienst entsprechen.
§ 5
(1) Die Dienststrafgerichte des Reichs sind für die Reichsbahnbeamten zuständig.
(2) Die. Reichsbahnbeamten sind für die Besetzung der entscheidenden Dienststrafgerichte wie Reichsbeamte zu behandeln.
(3) Die Personalordnung, bestimmt, welche Vorgesetzten für die Verhängung von Ordnungsstrafen zuständig sind.
§ 6
Die Reichsbahnbeamten haben für ihre Vertretung gegenüber der Gesellschaft die gleichen Rechte und Pflichten wie sie gesetzlich für die Reichsbeamten gegenüber der Reichsverwaltung gelten.
§ 7
Die Personalordnung kann für die Feststellung und Einbringung von Fehlbeträgen für die Reichsbahnbeamten Vorschriften in Anlehnung an die §§ 134 ff des Reichsbeamtengesetzes. treffen, Wobei die in der Personalordnung zu bezeichnenden Stellen der Gesellschaft die den Behörden zustehenden Befugnisse erhalten.
§ 8
Auf die Verfolgung vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Reichsbahnbeamtenverhältnis sind die Bestimmungen der §§ 149 ff des Reichsbeamtengesetzes sinngemäß anzuwenden. Als oberste Reichsbehörde gilt der Generaldirekto.
§ 9
Auf die im unfallversicherungspflichtigen Betriebe beshäftigten Reichsbahnbeamten und deren Hinterbliebene finden die Vorschriften des Unfallfürsorgegesetzes vom 18. Juni 1901 (Reichsgesetzbl. S. 211) sinngemäß Anwendung.
§ 10
(1) Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft übernimmt auf dem Gebiete der Kranken-, Unfall-, Invaliden- und Angestelltenversicherung, desgleichen hinsichtlich der Zusatzversicherungen die Aufgaben der Reichsbahnverwaltung.
(2) Die Reichsversicherungsordnung und das Angestelltenversicherungsgesetz werden wie folgt geändert:
- In den §§ 169, 172, 1234, 1235 der Reichsversicherungsordnung, ferner im § 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes werden hinter dem Worte „Reichs" eingefügt die Worte ‚,der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft".
- Im § 12 Abs. 1 Ziffer 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes werden hinter den Worten „Beamte des Reichs" eingefügt die Worte „der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft"; die Worte „im Reichs- oder Landesdienste" werden ersetzt durch die Worte „im Dienste des Reiche, der Deutschen Reichsbahngesellschaft oder eines Landes", Im § 12 Abs. 1 Ziffer 2 des Angestelltenversiherungsgesetzes werden die Worte „Angestellte in Eisenbahn-, Post- und Telegraphenbetrieben des Reichs oder der Länder" ersetzt durch die Worte „Augestellte im Post- und Telegraphenbetrieben des Reichs sowie Angestellte der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft".
- In § 1237 der Reichsversicherungsordnng und § 14 des Angeatelltenversicherungsgesegetz werden hinter Dem Worte „Reiche‘‘ eingefügt die Worte „der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft”.
- hinter § 625 der Reichsversicherungsordnung wird als § 626 eingefügt die Vorschrift:
„Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft ist Träger der Versicherung, wenn der Betrieb für ihre Rechnung geht oder die Tättgkeit für ihre Rechnung ausgeübt wird. - § 892 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung erhäl. folgende Fassung:
„Das gleiche gilt für die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, für Gemeinden, Gemeindeverbände und andere öffentliche Körperschaften, die Versicherungsträger sind. Die Ausführungsbehörden bestimmt die oberste Verwaltungsbehötde. Welche Stellen der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft als Ausführungsbehörden gelten, bestimmt die Personalordnung.“
§ 11
Die nach § 1360 der Reichsversicherungordnung bestehenden Sonderanstalten der früheren Reichsbahn-Verwaltung werden als Sonderanstalten der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft zugelassen. Ihre Rechte und Verpflichtungen gehen auf die neuen Sonderanstalten über.
§ 12
(1) Bei der Berechnung der aus der Gewährleistung in § 20 des Gesetzes. über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft sich ergebenden Bezüge ist der nach Reichsrecht erworbenen Dienstzeit die bei der Gesellschaft als Reichsbahnbeamter verbrachte Dienstzeit hinzuzurechnen.
(2) Angestellte und Arbeiter, denen ein Rücktrittsrecht zum Unternehmen Deutsche Reichsbahn zusteht, können dieses Recht der Gesellschaft gegenüber ausüben. Die durch dieses Gesetz nicht geregelten Rechts - und Dienstverhältnisse der Bediensteten werden nach der Vorschrift im § 19 Abs. 1 des Gesetzes. über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft durch die Personal Ordnung geregelt.
Berlin, den 30. August 1924,
Der Reichspräsident
Ebert
Der Reichsverkehrsminister
Oeser
Der Reichsminister der Finanzen
Dr. Luther
Der Reichsarbeitsminister
Dr. Brauns
Satzung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft
§1 Firma
(1) Die Gesellschaft führt die Firma: „Deutsche Reichsbahn-Geselschaft".
(2) Für ihre Rechtsverhältnisse sind das Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft vom 30. August 1924 und diese Gesellschaftssatzung, die einen Bestandteil des Gesetzes bildet, maßgebend. Der Sitz der Gesellschaft ist Berlin
(3) Das Geschäftsjahr der Gesellschaft ist das Kalenderjahr; das erste Geschäftsjahr beginnt mit dem Tage, an dem nach § 47 Abs. 8 des Gesetzes die Gesellschaft ihre Tätigkeit aufnimmt; es endigt am 31. Dezember 1925,
§ 2 Gegenstand des Unternehmens
Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb der Reichseisenbahnen einschließlich der künftigen Erweiterungen sowie die Ausführung aller damit zusammen hängenden oder dadurch veranlaßten Geschäfte, wie es im Gesetze näher erläutert ist.
§ 3 Grundkapital
Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt fünfzehn Milliarden Goldmark, und zwar zwei Milliarden Goldmark Vorzugsaktien und dreizehn Milliarden Goldmark Stammaktien.
§ 4 Vorzugsaktien
(1) Die Vorzugsaktien lauten auf den Inhaber und sind frei übertragbar, Sie gewähren den Anspruch auf Kapitalrückahlung spätestens bei Ablauf des Beiriebsrechts sowie auf eine Vorzugsdividende. Ist in einem Jahre die Vorzugsdividende nicht voll gezahlt worden, so ist sie aus den Gewinnen der folgenden. Jahre nachzuzahlen. Im Falle einer Gewinnverteilung auf die Stammaktien ist nach näherer Bestimmung des § 25 auf die Vorzugsaktien eine Zusatzdividende auszuschütten.
(2) Die Vorzugsaktien werden in verschiedenen Serien ausgegeben. Die mit verschiedenen Rechten ausgestattet sein können. Die Gesellschaft stellt die Ausgabebedingungen und den Ausgabekurs für jede Serie nach freiem Ermessen fest, sofern nicht die Vorzugsdividende höher als sieben vom Humdert ist und sofern der Ausgabekurs mindestens den Nennwert erreicht. Die Gesellschaft muß sich dagegen mit der Reichsregierung vor der Ausgabe von Vorzugsaktien ins Einvernehmen setzen, wenn es sich etwa zur Sicherstellung der Auısgabe der Aktien als nötig heraustellen sollte, solchen Ausgabebedingungen zuzustimmenen, die für die Gesellschaft ungünstiger wären.
(3) Die Vorzugsaktien jeder Serie können vom Beginn des 16. Jahres nach ihrer Ausgabe ab ganz oder zum Zeil eingezogen werden. Sollten jedoch alle Reparationsschuldverschreibungen in einer kürzeren Frist getilgt oder zurückgekauft sein, so kann die Gesellschaft auch sogleich die Vorzugsaktien einziehen.
(4) Insoweit Vorzugsaktion von einzelnen Inhabern aus Gründen, die die Gesellschaft nicht zu vertreten hat, nicht eingezogen werden können, sind die erforderlichen Geldbeträge zu hinterlegen. Diese Hinterlegung hat die gleiche befreiende Wirkung für die Gesellschaft wie die Einziehung selbst.
(5) Bei Ablauf des Betriebsrechts müssen alle Vorzugsaktien eingezogen sein.
(6) Der Einlösungskurs der Vorzugsaktien zuzüglich der laufenden und der rückstandigen Dividenden bestimmt sich wie folgt: Bei Einziehung vor Ablauf des 25. Jahres nach dem Übergang des Betriebsrecht an die Gesellschaft beträgt der Einlösungskurs zwanzig von Hundert über den Nennwert, bei Einziehung vom 26. bis 35. Jahre einschließlich beträgt er zehn vom Hundert über den Nennmwert. Nach dem 35. Jahre erfolgt die Einziehung zum Nennwert.
(7) Die Reichsregierung kann verrlangen daß die Gesellschaft von ihrem Rechte der Einziehung unter Beachtung der vorstehenden Bestimmungen Gbrauch macht, wenn das Reich ihr die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt.
§ 5 Verteilung des Erlöse aus den Vorzugsaktien
(1) Von dem Gesamterlös aus der Ausgabe der Vorzugsaktien fießen ein. Viertel dem Reiche, drei Viertel der Gesellschaft zu. Der Erlös aus einzelnen Ausgaben darf jedoch im Einvernehmen zwichen der Reichsregierung und der Gesellschaft anders verteilt werden, falls sich dadurch das Gesamtergebnis der Verteilung nicht ändert.
(2) Während der ersten zwei Jahre nach dem Übergange des Betriebsrechts soll die Gesellschaft Vorzugsaktien im Neunwert von fürfhundert Miliionen Goldmark verwerten. Die Reichsregierung kann verlangen, daß der Erlös aus dieser Ausgabe den Reiche ganz zufließt.
§ 6 Stammaktien
(1) Die Stammaktien werden auf den Namen des Deutschen Reichs oder auf Verlangen der Reichsregierung ganz auf den Namen eines deutschen Landes ausgestellt.
(2) Die Stammaktien gewähren das Recht auf eine Dividende nach Maßgabe der Bestimmungen des § 25.
§ 7 Form und Inhalt der Aktien
Die Form und der Inhalt der Aktien, Zwischenscheine und Gewinnanteilsscheine sowie deren Stückelung bestimmt ser Verwaltungsrat.
§ 8 Reparationsschuldverschreibungen
(1} Die Gesellschaft gibt sofort nach der Errichtung unentgeltlich an den von der Reparationskommission ernannten Treuhänder Schuldverschreibungen (Reparationsschuldverschreibungen) im Nennmwerte von elf Miliarden Goldmark aus, die durch eine erststellige Hypothek gesichert sind. Diese Schuldverschreibungen sind mit fünf vom Hundert jährlich zu verzinsen und vom vierten Jahre nach dem Übergang des Betriebsrechts an mit jährlich eins vom Hundert zuzüglich der durch die Tilgung ersparten Zinsen zu tilgen.
(2) Jedoch werden für die drei ersten Jahre nach dem Übergange des Betriebsrechts die Jahresleistungen der Gesellschaft für den Schuldverschreibungsdienst folgendermaßen begrenzt.
a) für das erste Jahr auf zweihundert Millionen Goldmark,
b) für das zweite Jahr auf fünfhundertfünfundneunzig Millionen Goldmark,
c) für das dritte Jahr auf fünfhundertfünfzig Millionen Goldmark.
Vom vierten Jahre ab beträgt die Jahresleistung sechshundertsechzig Millionen Goldmark. Alle diese Zahlungen verstehen sich für das Jahr zu vollen 12 Monaten gerechnet. Sie bilden die Gesamtleistungen der Gesellschaft für den Dienst der Schuldverschreibungen,
(3) Die Zahlungen sind zu gleichen Teilen zweimal jährlich, und zwar am Ende eines jeden Halbjahrs entsprechend den Anweisungen des Treuhänders zu leisten. Für den zuerst fälligen Betrag wird die Zahlung nach Verhältnis der wirklichen Dauer des Betriebs durch die Gesellschaft berechnet.
(4) Die Zahlungen erfolgen an die „‚Neue Bank" zugunsten Des „Agenten für die Reparationszahlungen“ für Rechnmung des Treuhänders. Dieser bewirkt den Zinsen- und Tilgungsdienst der Schuldverschreibungen aus den Mitteln die ihm der Agent zu diedem Zwecke überweist.
(5) Die Gesellschaft muß ihre Zahlungen gemäß § 25 aus dem Betriebsüberschuß im Notfall unter Heranziehung aller Rücklagen, bewirken.
(6) Außerdem werden die Zahlungen von der Reichsregierung gewährleistet. Diese kann der Gesellschaft entweder die für die Zahlungen nötigen Mittel zur Verfügung stellen oder die Zahlungen unmittelbar an den „Agenten für die Reparationszahlungen‘‘ für Rechnung des Treuhänders bewirken.
(7) Schließlich kann der Treuhänder im Falle der Nichtzahlung der fälligen Zins- und Tilgungsbeträge die fälligen Zinsscheine oder die zu tilgenden Stücke dem von der Reparationskommission bestellten „Kommissar für die Kontrollierten Einnahmen‘‘ vorlegen. Dieser hat sie zum Nennwert aus sem Teile der Verpfändeten Einnahmen zu bezahlen, der an das Reich zurückfließt.
(8) Die Beträge, die die Reichsregierung oder der „Kommissar für die kontrollierten Einnahmen” mit Rückicht auf die Gewährleistung der Reichdregierung entrichtet hat, werden ihr von der Gesellschaft erstattet, nachdem die erforderlichen Mittel für die laufenden und die nächstfälligen Zinsscheine der Schuldverschreibungen und für die feste Dividende der Vorzugsaktien für das laufende Jahr sichergestellt sind.
(9) Die Schuldverschreibungen tragen Sie Unterschrift eines Vertreters der Gesellschaft und der Reichsschuldenverwaltung als der zuständigen Reichsbehörde.
(10) Die Form der Schuldverschreibungen sowie alle Bedingungen für die Bezahlung ser Zinsscheine und für die Tilgung der Schuldverschreibungen setzt der Treuhänder mit Zustimmung der Reparationskommission fest.
(11) Die Reichsregierung und die Gesellschaft haben jederzeit das Recht, mit Ermächtigung der Reparationskommission an den Treuhänder Beträge über die obigen Zahlungen hinaus zu entrichten. Die Reparationskommission soll sich in diesem Falle beim „Übertragungskomitee‘” vergewissern, daß die Übertragung dieser Mehrzahlungen die Übertragung der Gesamtzahlungen des Deutschen Reichs aus seinen Reparationsverpflichtungen nicht beeinträchtigt. Alle derartigen Zahlungen sollen zunächst zur Begleichung rückständiger Zinszahlungen verwendet werden und erst hiernach — auf eine sechs Monate vorher öffentlich Bekanntgegebene Ankündigung hin — zur Tilgung oder zum Rückauf aller oder eines Teiles der jeweils noch nicht getilgten Schuldverschreibungen, und zwar zum Nennwert, dienen.
(12) Die Gesellschaft kann die Schuldverschreibungen an der Börse oder sonst aufkaufen.
(13) Soweit Reparationschuldverschreibungen von einzelnen Inhabern aus Gründen, die die Gesellschaft nicht zu vertreten hat, nicht eingezogen werden können, sind sie erforderlichen Gelddeträge zu hinterlenen. Diese Hinterlegung hat die gleiche befrehende Wirkung für die Gesellschaft wie die Tilgung selbst.
(14) Der Treuhänder übermittelt halbjährlich der Reichsschuldenverwaltung und der Gesellschaft einen Rechnungsauszug über die Verwendung der Beträge, die ihm für den Zins- und Tilgungsdienst der Schuldverschreibungen überwiesen worden sind.
(15) Die Reparationskommission kann die Schuldversschreibungen, um sie auf den Markt zu bringen, in jeder ihr geeignet erscheinenden Weise in verschiedene Serien mit verschiedenen Rechten hinsichtlich des Ranges der Hypothek, des Zinsfußes, der Kapitalrückzahlung einteilen lassen, jedoch unter der Voraussetzung, daß die gesamte Jahresbelastung der Gesellschaft und der Reichsregierung dadurch nicht erhöht und die Dauer der Zahlungen der Gesellschaft oder der Reichsregierung nicht verlängert werden.
§ 9 Andere Schuldverschreibungen
(1) Andere als die im § 8 genannten Schuldverscheibungen ober andere hypothekarisch gesicherte Anleihen darf Die Gesellschaft nur auf Grund eines Beschlusses des Verwallungsrats ausgeben, der mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen gefaßt ist. Für die Ausgabe müssen mindestens zwei ausländische Mitglieder gestimmt haben. Die neuen Schuldverschreibungen oder die neuen Anleihen stehen den Reparationsschuldverschreibungen im Range nach.
(2) Diesee Schuldverschreibungen oder Anleihen dürfen nur bis zum Höchstbetrage von 250 Millionen Goldmark ausgegeben werden, solange nicht Vorzugsaktien im Nennwert von mindestens einer Milliarde Goldmark untergebracht worden sind.
§ 10 Organisation der Gesellschaft
Die Organe der Gesellschaft sind der Verwaltungsrat und der Vorstand. Ihre Befugnisse bestimmen sich nach dem Gesetz und der Gesellschaftssatzung.
§ 11 Verwaltungsrat
(1) Der Verwaltungsrat besteht aus achtzehn Mitgliedern.
(2) Die Mitglieder des Verwaltungsrats werden zur Hälfte von der Reichsregierung, zur Hälfte von dem Treuhänder als dem Vertreter der Gläubiger der Reparationsschuldverschreibungen ernannt. Von den durch den Treuhänder zu bestellenden Mitgliedern können fünf Deutsche sein. Sobald alle Reparationsschuldverschreibungen getilgt sind, fällt die Ernennung der bisher vom Treuhänder ernannten Mitglieder der Reichsregierung zu.
(3) Von den seitens der Reichsregierung zu besetzenden Sitzen sind später vier den Inhabern der Vorzugsaktien mit der Maßgabe einzuräumen, daß auf je fünfhundert Millionen Goldmark ausgegebener Vorzugsaktien ein Sitz im Verwaltungsrat entfällt. Die Vertreter der Vorzugsaktionäre müßen Deutsche sein.
(4) Die Reichsregierung hat, sobald ihr die Bestellung eines Vertreters der Vorzugsaktionäre mitgeteilt ist, ein von ihr ernanntes Mitglied zurückzuziehen. Mach Maßgabe der Einziehung der Vorzugsaktien fallen die ihren Vertretern vorbehaltenen Sitze nach den gleichen Grundsätzen, wie sie für die Einräumung maßgebend waren, an die Reichsregierung zurück.
(5) Die Bestimmungen über das Verfahren bei der Ernennung der Vertreter der Vorzugsaktionäre trifft der Verwaltungsrat.
§ 12 Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Verwaltungsrate
(1) Die Mitglieder des Verwaltungsrats müssen erfahrene Kenner des Wirtschaftslebens oder Eisenbahnsachverständige sein. Sie dürfen nicht Mitglied des Reichstags, eines Landtags, der Reichsregierung oder einer Landesregierunng sein.
(2) Sie sind zur unbedingten Verschwiegenheit über die Angelegenheiten der Gesellschaft verpflichtet.
§ 13 Ausscheiden der Mitglieder des Verwaltungsrats
(1) Am Ende jedes zweiten Geschäftsjahrs scheiden drei Mitglieder aus jeder der beiden Gruppen der Verwaltungsratsmitglieder aus. Die eine Gruppe bilden die von der Reichsregierung ernannten und die von den Vorzugsaktionären bestellten, Die andere die vom Treuhänder ernannten Mitglieder. Die am Ende des zweiten und vierten Geschäftsjahrs ausscheidenden Mitglieder werden durch das Los bestimmt, während vom Ende des sechsten Geschäftsjahrs ab jedes Mitglied nach sechsjähriger Amtsdauer ausscheidet. Die Ausscheidenden können wiederbestellt werden.
(2) Die Mitglieder des Verwaltungsrats können jederzeit durch eine schriftliche Erklärung ihr Amt niederlegen. Verliert ein Mitglied die Fahigkeit zur Bekleidung Öffentlicher Ämter oder wird über sein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet, so verliert er ohne weiteres seine Mitgliedschaft im Vermwaltungsrate.
(3) Beim Ausscheiden eines Mitglieds während seiner Amtszeit ist binnen einer Frist von drei Monaten sein Nachfolger zu bestellen. Dieser wird für die Zeit der Amtsdauer des Mitglieds ernannt, an dessen Stelle er tritt.
§ 14 Präsident des Verwaltungsrats
(1) Der Präsident des Verwaltungsrats muss Deutscher sein. Er wird jährlich zu Beginn des Geschäftsjahrs vom Verwaltungsrate mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen gewahlt. Wiederwahl ist zulässig. Wenn die Inhaber der Vorzugsaktien im Verwaltungsrate durch drei Mitglieder vertreten sind, soll der Präsident aus diesen entnommen werden.
(2) Der Verwaltungsrat wählt jährlich mit einfacher Stimmenmehrheit einen oder zwei Vizepräsidenten, deren Wiederwahl zulässig ist.
§ 15 Aufgaben des Verwaltungsrats
(1) Der Verwaltungsrat hat die Aufagabe, die Geschäftsführung der Gesellschaft zu Überwachen und über alle wichtigen oder grundsätzlichen Fragen oder solche von allgemeiner Bedeutung zu entscheiden. Hierzu gehören insbesondere:
die Erneuuung des Generaldirektors und der oberen Beamten; Diese hat der Generaldirektorvorzuschlagen,
Die Feststellung des Voranschlags,
die Feststellung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung,
die Gewinnverteilung,
die Anlegung der flüssigen Mittel der Gesellschaft,
die Ermächtigung zur Aufnahme von Anleihen und Krediten zu Lasten der Gesellschaft,
die Besoldungs: und Lohnordnung,
die Genehmigung aller Ausgaben auf Kapitalrechnung, wenn diese die vom Verwaltungsrate festgesetzte Begrenzumg übersteigen.
(2) Soweit Angelegenheiten der Genehmigung der Reichsregierung unterliegen, sind sie auch dem Verwaltungsrate zu unterbreiten.
(3) Der Verwaltungsrat vertritt die Gesellschaft gegenüber den Mitgliedern des Vorftandes,
§ 16 Sitzungen des Verwaltungsrats
(1) Der Verwaltungsrat tritt mindeftens alle zwei Monate zu ordentlichen Sitzungen zusammen. Außerordentliche Sitzungen sind anzuberaumen, wenn mindestens sechs Mitglieder oder der Präsident des Verwaltungsrats die Einberufung schriftlich beantragen.
(2) Ist ein Mitglied bei einer Sitzung am Erscheinen verhindert, so kann er durch Einschreibebrief oder Drahtnachricht seine Befugnisse einem anderen Mitglied übertragen. Letzteres erhält dadurch auch das Stimmrecht des verhinderten Mitglied.
(3) Zur Beschlußfassung ist die Anwesenheit von acht Mitgliedern erforderlich.
(4) Die Beschlüsse werden, sofern nicht das Gesetz oder die Satzung etwas anderes bestimmt, mit einfacher Mehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag.
§ 17 Arbeitsauschuß
(1) Der Verwaltungsrat kannn seine Befugnisse, soweit es ihm zweckmäßig erscheint, einem Arbeitsauschuß übertragen, der aus sechs Mitgliedern, und zwar aus drei Mitgliedern jeder Gruppe (§ 13), besteht. Unter ihnen soll mindestens ein ausländisches Mitglied sein; ein weiteres Mitglied ist den Vertretern der Vorzugsaktionäre auf ihren Wunsch zu entnehmen.
(2) Der Vermaltungsrat kann aus seiner Mitte weitere Ausschüsse bilden.
(3) Der Verwaltungsrat setzt die Geschäftsordnung für sich sowie für den Arbeitsausschuß und für die weiteren Ausschüsse fest.
§ 18 Vergütungen für die Mitglieder des Verwaltungsrats
Die Mitglieder des Verwaltungsrats erhalten freie Fahrt auf den Strecken der Gesellschaft, Ersatz von Reiseauslagen und für ihre Mühewaltung eine angemessene Vergütung, die der Verwaltungsrat festsetzt.
§ 19 Vorstand
(1) Der Vorstand führt bie Geschäfte der Gesellschaft unter der Aufsicht des Verwaltungsrats.
(2) Der Vorstand besteht aus dem Generaldirektor und einem oder mehreren Direktoren. Der Generaldirektor und die Direktoren müssen Deutsche sein. Sie dürfen dem Verwaltungsrate nicht angehören.
(3) Der Generaldirektor wird vom Verwaltungsrate auf drei Jahre mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen ernannt; Wiederernennung ist mit der gleichen Stimmenmehrheit zulässig. Die Direktoren werden vom Verwaltungsrat auf Vorschlag des Generaldirektors ernannt.
(4) Die Ernennung des Generaldirektors und der Direktoren bedarf der Bestätignng des Reichspräsidenten.
(5) Der Verwaltungsrat kann jederzeit mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen die Ernennung des Generaldirektors widerrufen. Der Anspruch des Generaldirektors auf seine vertragsmäßige Vergütung wird durch den Widerruf seiner Ernennung nicht berührt.
§ 20 Befugnisse des Vorstandes
(1) Für Sie Geschäftsführung der Gesellschaft trägt der Generaldirektor die Verantwortung,
(2) Die Befugnisse des Generaldirektors und der Direktoren legt die Geschäftsordnung der Gesellschaft fest, die der Genehmigung des Verwaltungsrats bedarf.
(3) Der Generaldirektor und die Direktoren haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes wahrzunchmen und haften bei Verletzung ihrer Obliegenheiten der Gesellschaft gegenüber.
(4) Der Generaldirektor hat dem Verwaltungsrat allmonatlich über die finanzielle Lage und den Stand des Unternehmens Auskunft zu erteilen.
(5) Der Generaldirektor und die Direktoren dürfen eine gleichzeitige andere Erwerbstätigkeit oder eine Nebenbeschäftigung nur mit Genehmigung des Verwaltungsrats ausüben.
§ 21 Der Eisenbahnkommissar
(1) Zur Wahrung der Rechte aus den Reparationsschuldverschreibungen wird ein Eisenbahnkommissar betellt. Er soll eine Persönlichkeit von anerkannten Rufe in der Eisenbahnwelt sein. Er wird von den ausländischen Mitgliedern des Verwaltungsrats mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen für drei Jahre gewählt, Wiederwahl ist zulässig.
(2) Die Tätigkeit des Eisenbahnkommissar hört auf, sobald die Reparationsschuldverschreibungen völlig getilgt sind. Das gleiche gilt von der Tätigkeit des Teuhänders, soweit es sich um seinen Geschäftskreis gegenüber der Gesellschaft handelt.
§ 22 Aufgaben des Eisenbahnkommissars
(1) Der Eisenbahnkommissar kann an den Sitzungen des Verwaltungsrats, des Arbeitsausschusses und der übrigen Ausschüsse bdes DBerwaltungsrats teilnehmen; ein Stimmrecht steht ihm nicht zu.
(2) Er ist berechtigt, im gesamten Netze der Gesellschaft alle Anlagen und Dienststellen zu besichtigen.
(3) Ihm sind, alle Berichte, statistischen und finanziellen Übersichten, die Voranschläge für außerordentliche Ausgaben gleichviel, ob sie auf Kapitalrechnung oder auf Betriebsrechnung verrechnet werden. Vorschläge für Abänderung der Tarife und Ausnahmetarife sowie anderer Angelegenheiten mitzuteilen, die der Genehmigung des Generaldirektors bedürfen.
(4) Außerdem ist der Eisenbahnkonmissar berechtigt, die Mitteilung anderer Berichte, Übersichten der statistischer Angaben zu verlangen, die er für nötig hält, um sich ein unabhängiges Urteil bilden zu können.
{5). Alle Auskünfte sind ihm unverzüglich, volständig und genau zu übermittelun.
(6) Falls. irgend eine Bau-, Betriebs- oder Tarifmaßnahme wesentlich dazu beiträgt, die Rechte oder Interessen der Schuldverschreibungsgläubiger oder der Reparationskommission zu bedrohen und insbesonders die im § 8 Abs. 2 und 3 behandelten Zahlungen an den Fälligkeitsterminen zu gefährden, so hat der Eisenbahnkommissar die Frage mit dem Generaldirektor zu erörtern. Vermag er Ietzteren nicht zu Änderung der Richtlinien seiner Geschäftsführung zu bewegen, so muß er die Angelegenheit vor den Verwaltungsrat. bringen, der endgültig entscheidet.
(7). Der Eisenbahnkommissar kann verlangen, daß der Verwaltungsrat die Bestellung des Generaldirektors wegen Verletzung der Gesellschaftssatzung oder wegen Nichtausführung, der Anordnungen des Verwaltungsrats miderruft. Zur Entlassung genügt in diesem Falle die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
(8) Der Eisenbahnkommissar und sein Personal sind zur unbedingten Verschwiegenheit über die Angelegenheiten der Gesellschaft verpflichtet.
23. Personal und Kosten des Eisenbahnkommissariats
(1) Der Eisenbahnkommissar wird in seiner Tätigkeit durch das Personal unterstützt, das er für erforderlich hält. Er übt seine Befugnisse persönlich oder durch seine von ihm bevolmächtigten Mitarbeiter aus. Die Gesellschaft stellt geeignete Räume mit Ausstattung für die Geschäftsstellen des Eisenbahnkommissar zur Verfügung. Der Eisenbahnkommissar hat für sich und sein Personal in dem ihm zweckmäßig erscheinenden Umfang Anspruch auf freie Fahrt auf den Strecken der Gesellschaft.
(2) Die Gesellschaft stellt dem Eisenbahnkommissar jährlich als Pauschbeitrag zu den Ausgaben des Eisenbahnkommissars und seines Personals einen Betrag zur Verfügung, der im Einverständnisse zwischen dem Organisationskomitee und dem Eisenbahnkommissar vorbehaltlich der Genehmigung der Reparationskommission festgesetzt wird.
(24) Ausnahmebefugnisse des Eisenbahnkommissars
(1) Sollte die Gesellschaft mit der Leistung der im § 8 Abs. 2 vorgesehenen halbjährlichen Zahlıungen in Verzug geraten, so kann der Eisenbahnkommissar anordnen, daß die seiner Auffassung nach nicht begründeten Ausgaben unterbleiben oder die Tarife so erhöht werden, wie er es für angemessen hält. Auch kann er einen Wechsel in der Person des Generaldirektors fordern, wobei der Verwaltungsrat seinen Wünschen nachzukommen hat.
(2) Ist der fehlende Betrag gedeckt und die Zabhlung des nächsten Zinsbetrags sichergestellt, so enden die dem Eisenbahnkommissar nach dem vorstehenden ausnahmsweise zustehenden Befugnisse.
(3) Sollte innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Nichtleistung der fälligen Zahlungen die Deckung des fehlender Betrags sich weder durch die Zahlungen der Gesellschaft noch durch die anderen im § 8 vorgesehenen Zahlungen haben ernmöglichen lassen, so kann der Eisenbahnkommissar im Einvernehmen mit dem Treuhänder die Maßnahmen treffen, die sie für nötig erachten. Er kan dabei die Eisenbahnen selbst in Betrieb nehmen und, soweit für die Betriebführung entbehrlich, Fahrzeuge oder andere bewegliche oder unbewegliche Sachen veräußern.
(4) Letzten Endes kann der Eisenbahnkommissar das Betriebsrecht ganz oder zum Teil verpachten. Der Durchführung dieser Maßnahıne hat eine Entscheidung des im § 45 des Gesetzes vorgesehenen Schiedsrichters. Dahin vorauszugehen, daß sie in Aussicht genommene Maßnahme nötig und geeignet ist die Durchsührung des Dienstes der Reparationsschuldverschreibungen zu sichern.
(5) Soweit der Eisenbahnkommissar den Betrieb übernimmt, ist er den gesetzlichen Bestimmungen unterworfen.
§ 25 Finanzgebahrung der Gesellschaft
(1) Die Gesellschaft hat am Schlusse jedes Geschäftsjahrs eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen.
(2) Der nach Dekung der Betriebsausgaben verbleibende Betriebsüberschuß ist wie folgt zu verwenden:
- Zunächst sind die für den Zins- und Tilgungsdienst der Reparationsschuldverschreibungen bestimmten Zahlungen zu bewirken.
- Sodann ist der Zins- und Tilgungsdienst der im § 9 genannten Schuldverschreibungen und Anleihen zu bestreiten.
- Zur Deckung eines etwaigen Betriebsfehlbetrags der Gesellschaft und zur Sicherstellung der rechtzeitigen Befriedigung des Zins- und Tilgungsdienstes ihrer Schuldverschreibungen ist sogleich eine Rücklage zu schaffen. Der Rücklage sind mindestens zwei vom Hundert der gesamten Betriebseinnahmen zu überweisen, bis die Rücklage den Betrag von fünfhundert Millionen Goldmark erreicht hat. Muß nach Erreichung dieder Grenzedie Rücklage angegriffen werden, so sind sogleich ie jährlichen Überweisungen zu ihrer Wiederauffülung aufzunehmen.
- Der aus dem Betriebsüberschuß nach den vorstehenden Zahlungen und Überweisungen verbleibende Reingewinn ist in folgender Reihenfolge zu verwenden:
- Sollte in früheren Jahren die Vorzugsdividende auf die Vorzugsaktien nicht voll gezahlt worden sein, so ist sie vorweg nachzuzahlen.
- Sodann ist die Vorzugsdividende auf die Vorzugsaktien auszuschütten.
- Die Verwendung des verbleibenden Restbetrags bestimmt der Verwaltungsrat nach folgenden Richtlinien:
für außerordentliche Ausgaben können Sonderrücklagen vorgesehen werden. Vom Jahre 1933ab ist eine besondere Rücklage zur Einziehung der Vorzugsaktien anzusammeln. Dıese Rücklage kann auch fchonm in einem früheren Zeitpunkt angeordnet werten. Eine Rücklage für die Einziehung der Stammakıten wird nicht gebildet.
Wenn der Verwaltungsrat eine Verteilung des weiteren Reingewinnes beschließt, soll dieser wie folgt verwendet. werden: Ein Dıittel für die Vorzugsaktien als Zusatzdividende, zwei Drittel für die Stammaktion. Sollten jedoch die Vorzugsaktien nicht in dem vorgesehenen Gesamtbetrage von zwei Milliarden Soldmark ausgegeben sein, so kommt der auf die noch nicht begebenen Vorzuagsaktien entfallende Teil den Stammaktien zugute.