Züge in den Tod

Ein gerne ausgeblendetes aber mit der Geschichte der deutschen Eisenbahn untrennbar verbundenes Kapitel ist die aktive Beihilfe zum milionenfachen Massenmord. Sowohl durch die Verwaltung als auch deren Bedienstete.

Es kann nicht geleugnet werden das die Reichsbahn-Bediensteten, wenn auch nicht im Detail, so doch den groben Umfang der Vorgänge in den Vernichtungslagern bekannt waren. Diese Züge verkehrten öffentlich, tagsüber und das Personal sah wer in welchem Umfang wo hin verschleppt wurde.

Wurde anfangs wohl noch versucht diesen Transporten eine einigermaßen "zivilisierte" Form zu geben, in dem man reguläre Personenwagen verwendete, ging man in der Regel zu vor allem aus G-Wagen gebildete Züge über, nur das Begleitkommando reiste weiterhin in Personenwagen.

Ein typischer Deportations-Zug bestand aus zwei Personenwagen, meistens der dritten Klasse an den Zugenden, und bis zu 50 - 60 G-Wagen, mit angeblich jeweils bis zu 100 Personen darin. Diese Zahl erscheint für eine Fläche von 21,3 m² des typischen G10 sehr hoch, zwar wird diese Zahl in bahn-amtlichen Dokumenten, durch Augenzeugen werden sogar höhere Zahlen genannt, sie dürfte dennoch nicht stimmen. Für die vergleichbare militärische Nutzung werden 48 Mann oder 6 Pferde als Fassungsvermögen genannt. Diese Belegung dürfte bei den Deportationszügen durchaus überschritten worden sein, aber nicht unwesentlich. Was auch durch einige erhalten bebliebene Wagenlisten gestützt wird. Realistisch erscheint eine Regelbelegung mit 50 bis 60 Personen.

Eine Fahrplananordnung der Generaldirektion der Ostbahn nennt für Deportationszüge aus dem Reich mit 600 t Zuggewicht als Eckdaten 2 Personenwagen und den Rest aus G-Wagen mit etwa 2000 Personen, die mit 45 km/h verkehrten. In anderen Dokumenten werden 50 G-Wagen unterschiedliche Zuggewichte genannt. Laut den Dokumenten waren es feste, umlaufende Garnituren, die auf regulären Sonderzugplänen liefen. Das ganze wurde wie eine Reisegesellschaft auf Gemeinschaftsfahrkarte 3. Klasse abgewickelt, mit den üblichen tariflichen Preisnachlässen. Und jeder Eisenbahner konnte, musste sehen was da geschah.

Bei aller Geheimhaltung und Tarnung, war die Tatsache nicht zu leugnen, das hier große Menschmassen nach bestimmten, wiederkehrenden Orten transportiert wurden und von dort kein Zug mit Menschen wieder abging. Es kamen nur Züge mit Kleidung und anderem Gut als Wehrmachts- oder Militärgut abgefertigt, von dort wieder zurück. Diese Tatsache ließ sich nicht verheimlichen.

Ebenso wurden insbesondere Eisenbahner mit der Lagerealität durch die in der Bahnunterhaltung und Fahrzeugausbesserung beschäftigten Zwangsarbeiter und Lagerhäftlinge konfrontiert. Gerade Eisenbahner hatten auf Grund ihrer dienstlichen Tätigkeit und Einblicke genügend Wissen um zu erkennen, sie mussten es sogar erkennen, welche Folgen die NS-Gewaltherrschaft für Teile der Bevölkerung hatte.

Sie wussten es alle!


 Konvolut im Arolsen Archiv

Fahrplananordnungen (Umsiedlersonderzüge) von und nach Treblinka; - Wagenzettel, Bahndiensttelegramme, Wehrmachtsfahrscheine, Begleitzettel; - Zeugenberichte über das Vernichtungslager Treblinka. -, 1.2.7.7 /9038700 Digital Archive, Arolsen Archives


 In einer früheren Version des Textes habe ich die Belegungszahl von 100 noch für wahrscheinlich gehalten. Davon bin ich wieder abgerückt da schon eine, ursprünglich unterlassene, rechnerische Prüfung dies unmöglich erscheinen lassen.