Bekanntmachung des Staatsministeriums über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.
Oldenburg , den 24 . August 1906.

Auf Grund des Artikels 9 § 6 des Gesetzes vom 5 . Dezember 1868, betr. die Organisation des Staatsministeriums, werden mit Höchster Genehmigung für den nicht an Bahngleise gebundenen Verkehr der durch elementare Triebkraft bewegten Fahrzeuge - Kraftwagen und Krafträder - auf öffentlichen Wegen und Plätzen für das Herzogtum Oldenburg folgende Vorschriften erlassen:

A. Allgemeine Vorschriften.

§ 1

Für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen gelten sinngemäß die den Verkehr von Fuhrwerken oder von Fahrrädern auf öffentlichen Wegen und Plätzen regelnden polizeilichen Vorschriften, sofern nicht nachfolgend andere Bestimmungen getroffen werden.
Auf Kraftfahrzeuge, welche für den öffentlichen Fährbetrieb verwendet werden, sowie auf die Führer dieser Fahrzeuge finden neben den nachstehenden Vorschriften die allgemeinen Bestimmungen über den Betrieb der Droschken, Omnibusse und sonstigen dem öffentlichen Transportgewerbe dienenden Fuhrwerke Anwendung.
Fahrzeuge, die aus einem Kraftrad und einem damit fest oder mittels Kuppelung verbundenen besonderen Sitze auf eigenem Rade oder eigenen Rädern seitlich neben dem Kraftrade bestehen, gelten als Kraftwagen im Sinne dieser Vorschriften.
Auf Straßenlokomotiven und schwere Vorspannmaschinen finden die nachstehenden Vorschriften keine Anwendung.

B Das Kraftfahrzeug.

a) Beschaffenheit und Ausrüstung.

§ 2.

Die Kraftfahrzeuge müssen betriebssicher und insbesondere so gebaut, eingerichtet und ausgerüstet sein, daß Feuers- und Explosionsgefahr sowie eine Belästigung von Personen und Gefährdung von Fuhrwerken durch Geräusch, durch Entwickelung von Rauch oder Dampf oder durch üblen Geruch möglichst ausgeschlossen ist. Die Vorrichtung zum Auspuffen des Dampfes oder der Gase muß an einer möglichst wenig sichtbaren Stelle angebracht sein.
Die Radkränze dürfen nicht mit Unebenheiten versehen sein, welche geeignet sind, die Fahrbahn zu beschädigen.

§ 3.

Jedes Fahrzeug muß versehen sein:

  1. mit einer kräftigen Lenkvorrichtung, welche gestattet, sicher und rasch auszuweichen und in einem möglichst kleinen Bogen zu wenden;
  2. mit zwei voneinander unabhängigen Bremseinrichtungen, von denen mindestens die eine unmittelbar auf die Triebräder oder auf Bestandteile, die mit den Rädern fest verbunden sind, wirken, und von denen jede für sich geeignet sein muß, den Lauf des Fahrzeugs sofort zu hemmen und es auf die kürzeste Entfernung zum Stehen zu bringen;
  3. mit einer Vorrichtung, die beim Befahren größerer Steigungen die unbeabsichtigte Rückwärtsbewegung verhindert;
  4. mit einer eintönigen Huppe zum Abgeben von Warnungszeichen;
  5. nach eingetretener Dunkelheit und bei starkem Nebel mit mindestens zwei, an den Seiten in gleicher Höhe angebrachten, hellbrennenden Laternen mit farblosem Glase, welche den Lichtschein derart auf die Fahrbahn werfen, daß diese auf mindestens 20 Meter vor dem Fahrzeuge von dem Führer übersehen werden kann. Übermäßig stark wirkende Scheinwerfer
    dürfen nicht verwendet werden.

Für Krafträder gelten Ziffer 2 und 5 mit der Einschränkung, daß eine wirksame Bremsvorrichtung und eine Laterne der bezeichnten Art genügt; Ziffer 3 findet auf solche Fahrzeuge keine Anwendung.
Jeder Kraftwagen, dessen Eigengewicht 350 Kilogramm übersteigt, muß so eingerichtet sein, daß er mittels des Motors vom Führersitz aus in Rückwärtsgang gebracht werden kann.
Die Griffe zur Bedienung des Motors und der in Abs . 1 bis 3 angeführten Einrichtungen müssen so angebracht sein, daß der Führer sie, ohne sein Augenmerk von der Fahrtrichtung abzulenken, leicht und auch im Dunkeln ohne Verwechselungsgefahr handhaben kann.
Jedes Kraftfahrzeug muß mit einem Schilde versehen sein, welches die Firma , die das Fahrzeug hergestellt hat, die Anzahl der Pferdekräfte des Motors und das Eigengewicht des Fahrzeugs angibt.

b. Inbetriebnahme.

§ 4.

Wenn ein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen werden soll, hat der Eigentümer hiervon der zuständigen Polizeibehörde seines Wohnorts eine schriftliche Anzeige zu erstatten, in welcher anzugeben sind:

  1. Name , Stand und Wohnort des Eigentümers,
  2. die Firma , welche das Fahrzeug hergestellt hat,
  3. die Bestimmung des Fahrzeugs (Personen - oder Lastfahrzeug),
  4. die Betriebsart,
  5. die Anzahl der Pferdekräfte,
  6. das Eigengewicht des Fahrzeugs,
  7. für Lastkraftwagen das Höchstgewicht der Ladung.

Der Anzeige ist das Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen beizufügen , das die Richtigkeit der Angaben unter 4 bis 7 sowie ferner bestätigt, daß das Fahrzeug den nach dieser Bekanntmachung zu stellenden Anforderungen genügt. Das Gutachten hat der Anzeigende auf seine Kosten zu beschaffen. An Stelle dieses Nachweises kann von der Landespolizeibehörde eine amtliche Prüfung auf Kosten des Anzeigenden vorgeschrieben werden.
Änderungen hinsichtlich der Punkte 1, 3 und 4 sowie wesentliche Änderungen hinsichtlich der Punkte 5 bis 7 sind in gleicher Weise anzuzeigen. Eine Änderung des Wohnorts des Eigentümers ist der Polizeibehörde des neuen Wohnorts unter Vorlegung der Bescheinigung (§ 5 Abs . 2) anzuzeigen.
Die zuständige Landespolizeibehörde ist befugt, auf Antrag einer Firma, deren Sitz sich im Bezirke der Behörde befindet, nach einer auf Kosten der Firma vorgenommenen Prüfung eine Bescheinigung darüber zu erteilen, daß eine fabrikmäßig gefertigte Gattung eines Kraftfahrzeugs den nach Maßgabe dieser Bekanntmachung zu stellenden Anforderungen genügt. Bei der Veräußerung eines Kraftfahrzeugs, das einer derart zugelassenen Gattung angehört, kann die Firma dem Abnehmer eine mit laufender Nummer versehene Ausfertigung der Bescheinigung, die auch die Richtigkeit der im Abs . 1 unter 4 bis 7 vorgeschriebenen Angaben bestätigen muß, mit der Wirkung verabfolgen, daß sie das im Abs . 2 geforderte Gutachten ersetzt . Diese Bestimmung gilt für alle von einer deutschen Zentral - oder Landespolizeibehörde ausgestellten Bescheinigungen über dievorschriftsmäßige Beschaffenheit einer Gattung.

c. Polizeiliche Kennzeichnung.

§ 5.

Die Zulassung des Kraftfahrzeugs zum Verkehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen ist von der Polizeibehörde abzulehnen, wenn den Vorschriften des § 4 nicht entsprochen ist.
Im Falle der Zulassung hat die Polizeibehörde das Kraftfahrzeug in eine Liste nach beiliegendem Muster 1 einzutragen. Demnächst ist das Fahrzeug mit einem polizeilichen Kennzeichen (§ 7) zu versehen. Die Angabe der Erkennungsnummer erfolgt durch die nach § 4 Abs . 1 zu ständige Behörde. Der Antragsteller erhält über die Zulassung und die Eintragung des Kraftfahrzeugs und die Zuteilung des Kennzeichens eine Bescheinigung nach beiliegendem Muster 2 . Die Bescheinigung ist in Urschrift oder beglaubigter Abschrift bei der Benutzung des Fahrzeugs auf öffentlichen Wegen und Plätzen mitzuführen und den Polizeibeamten auf Verlangen vorzuzeigen.
Bei Verlegung des Wohnorts des Eigentümers in einen Bezirk, in dem die Kraftfahrzeuge mit anderen Buchstaben oder römischen Ziffern (§ 7 Abs . 1) gekennzeichnet werden, ist das Fahrzeug mit einem Kennzeichen des neuen Bezirkes zu versehen und auf Grund der vorgelegten Bescheinigung eine neue auszustellen.

§ 6.

Vorbehaltlich der Vorschrift im § 29 muß jedes auf öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrende Kraftfahrzeug das polizeiliche Kennzeichen tragen.

§ 7.

Das von der Polizeibehörde zuzuteilende Kennzeichen besteht aus dem Buchstaben O und der römischen Ziffer I (O I) und aus der Erkenuungsnummer, unter welcher das Fahrzeug in die polizeiliche Liste (§ 5) eingetragen ist.
Das Kennzeichen ist an der Vorderseite und an der Rückseite des Fahrzeugs nach außen hin an leicht sichtbarer Stelle anzubringen. Bei Krafträdern kann die Polizeibehörde aus besonderen, aus der Bauart des Fahrzeugs sich ergebenden Gründen von der Anbringung des zweiten Kennzeichens absehen und demgemäß zulasten, daß nur ein Kennzeichen an der Vorderseite oder an der Rückseite angebracht wird.
Das vordere Kennzeichen ist in schwarzer Balkenschrift auf weißem, schwarzgerandetem Grunde auf die Wandung des Fahrzeugs oder auf eine rechteckige Tafel aufzumalen, die mit dem Fahrzeuge durch Schrauben, Nieten oder Nägel fest zu verbinden ist. Die Bezeichnung und die Nummer müssen in eine Reihe gestellt und durch einen wagerechten Strich voneinander getrennt werden . Die Abmessungen betragen: Randbreite mindestens 10 Millimeter, Schrifthöhe 75 Millimeter bei einer Strichstärke von 12 Millimeter, Abstand zwischen den einzelnen Zeichen und vom Rande 20 Millimeter, Stärke des Trennungsstrichs 12 Millimeter, Länge des Trennungsstrichs 25 Millimeter, Höhe der Tafel ausschließlich des Randes 115 Millimeter (Muster 3).
Bei dem an der Rückseite des Fahrzeugs mittels Schrauben, Nieten oder Nägel fest anzubringenden Kennzeichen sind die Bezeichnung und die Nummer auf einer viereckigen weißen schwarzgerandeten Tafel in schwarzer Balkenschrift auszuführen. Die Tafel kann Bestandteil einer Laterne sein (vgl . § 10 ). Die Bezeichnung muß über der Nummer stehen. Die Abmessungen betragen: Randbreite mindestens 10 Millimeter , Schrifthöhe 100 Millimeter bei einer Strichstärke von 15 Millimeter, Abstand zwischen den einzelnen Zeichen und vom Rande 20 Millimeter, Höhe der Tafel ausschließlich des Randes 260 Millimeter (Muster 4). Bei Kraftzweirädern ist auf der Rückseite auch eine sechseckige Tafel (Muster 5) zulässig. Im Falle des § 10 Abs. 1 Satz 2 kann das Hintere Kennzeichen auch auf die Wandung des Fahrzeugs aufgemalt werden.

§ 8.

Die Kennzeichen müssen mit dem Dienststempel der Polizeibehörde versehen sein.

§ 9.

Die Kennzeichen dürfen nicht zum Umklappen eingerichtet sein; sie dürfen niemals verdeckt sein und müssen stets in lesbarem Zustand erhalten werden. Der untere Rand des vorderen Kennzeichens darf nicht weniger als 20 Zentimeter, der des Hinteren nicht weniger als 45 Zentimeter vom Erdboden entfernt sein.

§ 10.

Während der Dunkelheit und bei starkem Nebel ist das Hintere Kennzeichen durchscheinend so zu beleuchten, daß es deutlich erkennbar ist. An Stelle der durchscheinenden Beleuchtung kann die Polizeibehörde eine Beleuchtung von außen zulassen, sofern der Leuchtkörper oberhalb der Tafel angebracht ist und die Erkennbarkeit des Kennzeichens dadurch nicht beeinträchtigt wird. Die Beleuchtungsvorrichtung muß so eingerichtet sein, daß sie weder vom Sitze des Führers noch vom Innern des Wagens aus abgestellt werden kann.
Bei Krafträdern kann die Polizeibehörde auf Antrag von einer Beleuchtung des Kennzeichens absehen.

§ 11.

Der Verlust oder das Nubrauchbarwerden eines Kennzeichens muß der Zuteilungsstelle sofort angezeigt werden.
Tritt der Verlust oder das Unbrauchbarwerden an einem Orte ein, von dem aus die Zuteilungsstelle ohne Zeitverlust nicht erreicht werden kann, so genügt die Anzeige an die nächste für die Zuteilung von Kennzeichen zuständige Behörde, die in derartigen Fällen das erneuerte Kennzeichen mit dem Dienststempel zu versehen und, daß dies geschehen, in der Bescheinigung (§ 5 Abs. 2) ersichtlich zu machen hat.

§ 12.

Die Anbringung mehrerer verschiedener Kennzeichen ist unzulässig,

§ 13.

Bei Ausstellungen von Kraftfahrzeugen können von der zuständigen Landespolizeibehörde Ausnahmen von den Vorschriften der §§ 7, 10 mit der Maßgabe zugelassen werden, daß für die an der Veranstaltung teilnehmenden Kraftfahrzeuge die Führung eines besonderen Kennzeichens vorgeschrieben wird, dessen Beschaffenheit im Einzelfalle von dieser Behörde festzusetzen ist. Soweit es sich im Kraftfahrzeuge handelt, die bereits in die polizeiliche Liste eingetragen und mit einem Kennzeichen versehen sind, muß dies Kennzeichen auch während der Ausstellung weiter geführt werden.

C. Der Führer des Kraftfahrzeugs

a. Eigenschaften des Führers.

§ 14.

Das Führen von Kraftfahrzeugen ist nur solchen Personen gestattet und darf nur solchen Personen überlassen werden, die mit den Einrichtungen und der Bedienung des Fahrzeugs völlig vertraut sind und sich hierüber durch ein von einer sachverständigen Behörde oder einer behördlich anerkannten Stelle ausgestelltes Zeugnis ausweisen können.
Das Zeugnis ist der Polizeibehörde des Wohnorts des Führers zur Kenntnisnahme vorzulegen und von dieser, sofern gegen die Zuverlässigkeit und Befähigung der betreffenden Person Bedenken nicht bestehen, mit einem hierauf bezüglichen Vermerke zu versehen. Der Führer hat das Zeugnis bei sich zu führen und auf Verlangen den zuständigen Beamten vorzuzeigen.
Personen unter 18 Jahren ist das Fübren von Kraftfahrzeugen, insbesondere auch von Krafträdern, nicht gestattet. Ausnahmen können von der Polizeibehörde mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zugelassen werden.

b. Besondere Pflichten des Führers.

§ 15.

Der Führer ist dafür verantwortlich, daß das Kraftfahrzeug mit den nach dieser Bekanntmachnng vorgeschriedenen Vermerken und polizeilichen Kennzeichen versehen ist, daß es in vorgeschriebener Weise beleuchtet ist, sowie dafür, daß bei der Benutzung des Fahrzeugs auf öffentlichen Wegen und Plätzen die durch § 5 Abs. 2 vorgeschriebene Bescheinigung mitgeführt wird.
Der Führer ist verpflichtet, sich vor der Fahrt davon zu überzeugen, daß das Fahrzeug in ordnungsmäßigem Zustand ist und daß seine maschinellen sowie die im § 3 vorgeschriebenen Einrichtungen gut wirken.

§ 16.

Der Führer ist zu besonderer Vorsicht in Leitung und Bedienung seines Fahrzeugs verpflichtet. Er darf von dem Fahrzeuge nicht absteigen, solange es in Bewegung ist, und darf sich von ihm nicht entfernen, solange der Motor angetrieben ist; auch muß er, falls er sich von dem Fahrzeug entfernen will, die nötigen Vorkehrungen treffen, daß kein Unbefugter den Motor antreiben kann.
Auf den Haltruf oder das Haltzeichen eines als solcher kenntlichen Polizeibeamten hat der Führer sofort anzuhalten.
Zur Kenntlichmachung eines Polizeibeamten ist auch das Tragen einer Dienstmütze ausreichend.

§ 17.

Die Fahrgeschwindigkeit ist jederzeit so einzurichten, daß Unfälle und Verkehrsstörungen vermieden werden.
Jedenfalls darf innerhalb geschloffener Ortsteile die Fahrgeschwindigkeit das Zeitmaß eines in gestrecktem Trabe befindlichen Pferdes - etwa 15 Kilometer in der Stunde - nicht überschreiten. Außerhalb geschlossener Ortsteile darf sie, wenn übersichtliche Wege befahren werden, insoweit erhöht werden, als der Führer in der Lage bleibt, unter allen Umständen seinen Verpflichtungen Genüge zu leisten.
Auf unübersichtlichen Wegen, insbesondere nach Eintritt der Dunkelheit oder bei starkem Nebel, beim Einbiegen aus einer Straße in die andere, bei Straßenkreuzungen, bei scharfen Straßenkrümmungen, bei der Ausfahrt aus Grundstücken, die an öffentlichen Wegen liegen und bei der Einfahrt in solche Grundstücke, bei der Annäherung an Eisenbahnübergänge in Schienenhöhe, ferner beim Passieren enger Brücken und Tore sowie schmaler oder abschüssiger Wege, sowie da, wo die Wirksamkeit der Bremsen durch die Schlüpfrigkeit des Weges in Frage gestellt ist, endlich überall da, wo ein lebhafter Verkehr stattfindet , muß langsam und so vorsichtig gefahren werden, daß das Fahrzeug nötigenfalls sofort und jedenfalls auf eine Wegstrecke von höchstens 5 Meter zum Halten gebracht werden kann.

§ 18.

Der Führer hat entgegenkommende, zu überholende, in der Fahrtrichtung stehende oder die Fahrtrichtung kreuzende Menschen sowie die Führer von Fuhrwerken, Reiter, Radfahrer, Viehtreiber usw. durch deutlich hörbares Warnungszeichen rechtzeitig auf das Nahen des Kraftfahrzeugs aufmerksam zu machen.
Auch an unübersichtlichen Stellen (§ 17 Abs . 3) ist Warnungszeichen zu geben.
Das Abgeben von Warnungszeichen ist sofort einzustellen, wenn Pferde oder andere Tiere dadurch unruhig oder scheu werden.
Warnungszeichen dürfen nur mit der eintönigen Huppe (§ 3 Abs . 1 Ziffer 4 ) abgegeben werden.
Das Abgeben langgezogener Huppensignale, die Ähnlichkeit mit Feuersignalen haben, ist nicht statthaft.
Merkt der Führer, daß ein Pferd oder ein anderes Tier vor dem Kraftfahrzeuge scheut, oder daß sonst durch das Vorbeifahren mit dem Kraftfahrzeuge Menschen oder Tiere in Gefahr gebracht werden, so hat er langsam zu fahren sowie erforderlichenfalls anzuhalten und den Motor außer Tätigkeit zu setzen.
Im Falle eines Zusammenstoßes des Kraftfahrzeugs mit Personen oder Sachen hat der Führer sofort zu halten und die nach den Umständen des Falles gebotene Hilfe zu leisten.

§ 19.

Beim Einbiegen in eine andere Straße ist nach rechts in kurzer Wendung, nach links in weitem Bogen zu fahren.
Der Führer hat entgegenkommenden Fuhrwerken, Kraftfahrzeugen, Reitern, Radfahrern, Viehtransporten oder dergleichen rechtzeitig und genügend nach rechts auszuweichen oder, falls dies die Umstände oder die Örtlichkeit nicht gestatten, solange auzuhalten, bis die Bahn frei ist. Ebenso hat er auzuhalten beim Zusammentreffen mit marschierenden Militärabteilungen, öffentlichen Aufzügen, Leichenbegängnissen oder dergleichen.
Das Vorbeifahren an eingeholten Fuhrwerken, Kraftfahrzeugen, Reitern, Radfahrern, Viehtransporten oder dergleichen hat auf der linken Seite zu erfolgen.

D. Die Benutzung öffentlicher Wege und Plätze.

§ 20.

Das Fahren mit Kraftfahrzeugen ist nur auf Fahrwegen gestattet. Auf Radfahrwegen und auf Fußwegen, die für Fahrräder freigegeben find, ist der Verkehr mit Krafträdern nur mit besonderer polizeilicher Genehmigung zulässig.

§ 21.

Durch allgemeine polizeiliche Vorschriften oder durch besondere, für einzelne Fälle getroffene polizeiliche Anordnungen kann, soweit der Zustand der Wege oder die Eigenart des Verkehrs es erfordert, der Verkehr von Kraftfahrzeugen auf bestimmten Wegen, Plätzen und Brücken verboten oder beschränkt, insbesondere die zulässige Fahrgeschwindigkeit auf ein bestimmtes Maß herabgesetzt werden.
Allgemeine Vorschriften dieser Art sind an den betreffenden Stellen durch öffentlichen Anschlag auf zu diesem Zwecke kenntlich gemachten Tafeln zur Kenntnis zu bringen.

§ 22.

Das Wettfahren und die Veranstaltung von Wettfahrten auf öffentlichen Wegen und Plätzen sind verboten.
Ausnahmen bedürfen der Genehmigung der zuständigen Landeszentralbehörde oder der von dieser zu bestimmenden höheren Verwaltungsbehörde, welche im einzelnen Falle die
besonderen Bedingungen festsetzt.
Für Zuverlässigkeitsfahrten ist die Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich.

§ 23.

Das Mitführen von Anhängewagen ist nur auf Grund polizeilicher Erlaubnis zulässig. Der Erlaubnisschein ist bei der Fahrt mitzuführen und den Polizeibeamten auf Verlangen vorzuzeigen. Auf den Transport schadhaft gewordener Fahrzeuge findet diese Vorschrift keine Anwendung.

E . Verkehr über die Reichsgrenze und im Zollgrenzbezirke.

§ 24.

Für die Zulassung und Kennzeichnung der zu vorübergehendem Aufenthalt in das Gebiet des Deutschen Reichs aus dem Auslande gelangenden außerdeutschen Kraftfahrzeuge und für die Zulassung der Führer solcher Fahrzeuge gelten folgende besondere Bestimmungen:

  1. Die Vorschriften über die Anmeldung und über die Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen in den §§ 4 , 5 finden auf die außerdeutschen Kraftfahrzeuge keine Anwendung , sofern der Führer des Kraftfahrzeugs durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde des Auslandes Nachweisen kann, daß das Fahrzeug den an dem betreffenden Orte gültigen polizeilichen Vorschriften entspricht; Bescheinigungen dieser Art müssen den Namen, Stand und Wohnort des Eigentümers, die Firma, die das  Fahrzeug hergestellt hat, seine Betriebsart, die Anzahl der Pferdekräfte, das Eigengewicht des Fahrzeugs und bei Lastkraftwagen das Höchstgewicht der Ladung angeben und mit dem Anerkennungsvermerk einer deutschen Behörde versehen sein.
  2. Die außerdeutschen Kraftfahrzeuge müssen an Stelle der durch §§ 7, 10 vorgeschriebenen polizeilichen Kennzeichen ein besonderes länglichrundes Kennzeichen (Muster 6) führen, das zugleich mit der Bescheinigung über die Zuteilung des Kennzeichens (Muster 7) nach Maßgabe der besonderen hierüber ergehenden Anordnungen auf den Grenzzollämtern ausgegeben wird und beim Verlassen des Deutschen Reichs nebst Bescheinigung wieder abzuliefern ist.
    Das Kennzeichen ist an der Rückseite des Fahrzeugs nach außen hin an leicht sichtbarer Stelle fest anzubringen und bei Kraftwagen während der Dunkelheit und bei starkem Nebel so zu beleuchten, daß es deutlich erkennbar ist; die Beleuchtungsvorrichtung darf das Kennzeichen nicht verdecken. Etwa vorhandene ausländische Kennzeichen sind zu entfernen oder zu überdecken.
    Die für das Kennzeichen zu entrichtende Gebühr beträgt
    für Kraftwagen . . . 6 Mark,
    für Krafträder . . . . 3 Mark.
    Wird die Tätigkeit der Amtsstelle außerhalb der Geschäftszeit, d. h. in den Monaten Oktober bis Februar vor 7 1/2 Uhr vormittags und nach 5 1/2 Uhr nachmittags, in den übrigen Monaten vor 7 Uhr vormittags und nach 8 Uhr nachmittags, in Anspruch genommen, so erhöht sich die Gebühr
    für Kraftwagen auf . . 10 Mark,
    für Krafträder auf . . . . 5 Mark.
    Beim Ausgang eines außerdeutschen Kraftfahrzeugs aus dem Reichsgebiet ist das Kennzeichen mit der über seine Zuteilung ansgestellten Bescheinigung der nächsten zur Ausgabe von Kennzeichen befugten Amtsstelle behufs Rücksendung an die Eingangs-Amtsstelle zu übergeben. Erfolgt infolge dauernden Verbleibs im Inlande später die Zulassung des Fahrzeugs gemäß § 5 , so hat die Rücksendung durch Vermittelung der die Zulassung aussprechenden Polizeibehörde zu geschehen.
  3. Die durch § 14 Abs. 1 für die Führer von Kraftfahrzeugen vorgeschriebenen Zeugnisse können für die Führer außerdeutscher Kraftfahrzeuge durch entsprechende ausländische Zeugnisse ersetzt werden, sofern diese von einer deutschen Behörde mit einem Anerkennungsvermerke versehen sind.
    Als „deutsche Behörde", deren Anerkennungsvermerk nach Abs . 1 unter a, und c. die ausländischen Bescheinigungen und Zeugnisse tragen müssen, gilt der zuständige deutsche Konsul. Sind die Schriftstücke nicht in deutscher Sprache abgefaßt , so muß ihr Inhalt aus dem Anerkennungsvermerk ersichtlich sein.
    Die zuständige Landespolizeibehörde kann von dem im vorstehenden unter a. geforderten Anerkennungsvermerk einer deutschen Behörde für die Bescheinigungen bestimmter Behörden des benachbarten Auslandes absehen lassen.
    Den Eigentümern außerdeutscher Kraftfahrzeuge kann von der zuständigen Landespolizeibehörde auf Antrag gestattet werden, das deutsche Kennzeichen zu führen. Die betreffenden Kraftfahrzeuge sind in diesem Falle in polizeilicher Beziehung als deutsche anzusehen und unterliegen demgemäß den Vorschriften der §§ 4, 5, 7, 10. Die zuständige Landespolizeibehörde bezeichnet die Polizeibehörde, welche die Eintragung des Kraftfahrzeugs in die Liste zu bewirken und die Erkennungsnummer zuzuteilen hat.

§ 25.

Im Zollgrenzbezirke haben die Beamten der Grenzzollverwaltung hinsichtlich der Kraftfahrzeuge die gleichen Befugnisse wie die Polizeibeamten.

F. Untersagung des Betriebs.

§ 26.

Die Polizeibehörde kann jederzeit auf Kosten des Eigentümers eine Untersuchung darüber anstellen, ob ein Kraftfahrzeug den nach Maßgabe dieser Verordnung zu stellenden Anforderungen entspricht.
Kraftfahrzeuge , welche diesen Anforderungen nicht genügen, können durch die Polizeibehörde vom Befahren der öffentlichen Wege und Plätze ausgeschlossen werden.

§ 27.

Ungeeigneten Personen, insbesondere solchen, welche die den Führern von Kraftfahrzeugen obliegenden Verpflichtungen verletzt haben, kann das Führen von Kraftfahrzeugen
dauernd oder für bestimmte Zeit polizeilich untersagt werden.
Sie haben alsdann das ausgestellte Zeugnis (§ 14 Abs. 1) der Polizeibehörde abzuliefern. Handelt es sich um ausländische Zeugnisse (§ 24 Abs. 1 unter c), so ist die Polizeibehörde befugt, den Anerkennungsvermerk zu löschen.

G. Strafbestimmungen.

§ 28.

Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Bestimmungen werden in Gemäßheit des § 366 Nr. 10 des Reichs-Strafgesetzbuchs mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft.

H. Ausnahmen.

§ 29.

Von der Verpflichtung zur Führung des Kennzeichens sind befreit:

  1. Kraftfahrzeuge, die nur in Schleppzügen für den Frachtverkehr Verwendung finden,
  2. Kraftfahrzeuge der Feuerwehr,
  3. Kraftwagen, die im öffentlichen Fuhrverkehre Verwendung finden und für die Sondervorschriften hinsichtlich ihrer Kennzeichen bestehen (Droschken, Omnibusse usw.).

Auf Antrag können durch die Polizeibehörde von der Verpflichtung zur Führung des Kennzeichens entbunden werden:

  1. leichte, nur für den Stadtverkehr bestimmte Personenkraftfahrzeugemit einer Höchstgeschwindigkeit auf ebener Bahn von nicht mehr als 15 Kilometer in der Stunde, 
  2. Geschäftswagen, die in deutlich erkennbarer Form mit der Firma des Geschäfts versehen sind. Insoweit mehrere Kraftfahrzeuge zu einem Geschäftsbetriebe gehören, müssen sie indessen mit besonderer laufender Erkennungsnummer versehen sein, die den Anforderungen in den §§ 7, 10 zu entsprechen hat.

Auf die Kraftfahrzeuge der Militärverwaltung und auf die Führer dieser Kraftfahrzeuge finden die Vorschriften im § 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, § 18 Abs. 4 , §§ 23, 26, 27 keine Anwendung. Krafträder der Militärverwaltung sind von der Verpflichtung zur Beleuchtung des Kennzeichens (§ 10 ) befreit.
Die Kraftfahrzeuge der Feuerwehren sind von den Bestimmungen der § 3 Abs. 1 Ziffer 4, §§ 17, 19, 23 ausgenommen.

I. Übergangs - und Schlußbestimmungen.

§ 30.

Polizeibehörde im Sinne dieser Bekanntmachung sind die Ämter - Magistrate der Städte I. Klasse -, Landespolizeibehörde das Staatsministerium, Departement des Innern, Landeszentralbehörde das Staatsministerium.
Die in §§ 20, 21 und 22 Abs. 2 genannten Anordnungen und Verfügungen sind von der Wegepolizeibehörde zu treffen.

§ 31.

Diese Vorschriften treten mit dem 1 . Oktober 1906 in Kraft.
Mit dem Tage der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung kommen für Kraftfahrzeuge, welche auf Grund der bisherigen Vorschriften noch nicht eine Erkennungsnummer zugeteilt erhalten haben, die Bestimmungen der §§ 4 - 12 sofort zur Anwendung.
Das bisher geführte Kennzeichen und die auf Grund der bisherigen Vorschriften erteilten Erkennungsnummern dürfen vom 1. Oktober 1906 an nicht weiter geführt werden. Die betreffenden Eigentümer haben bis zum 20. Sept. d. J. ihre Kraftfahrzeuge zwecks Zuteilung einer neuen Erkennungsnummer nach Maßgabe der Bestimmungen des § 4 Abs. 1 bei der Polizeibehörde von neuem anzumelden. Die Erteilung der Erkennungsnummernerfolgt für diese Kraftfahrzeuge kosten- und gebührenfrei.
Mit dem Inkrafttreten dieser Vorschriften treten die Vorschriften der Ministerialbekanntmachung vom 2. Februar 1903 außer Kraft.

Oldenburg, den 24. August 1906.

Staatsministerium,
Departement des Innern.

Willich.

Cassebohm.


Muster 1

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Muster 2

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Muster 3

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Muster 4

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Muster 5

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Muster 6

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Muster 7

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