Gesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz)
vom 30. August 1924

Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit Verkiündet wird, nachdem festgestellt ist daß die Erfordernisse verfassungändernder Gesetzgebung erfällt sind:

§ 1 Errichtung der Gesellschaft

(1) Das Deutsche Reich errichtet durch dieses Gesetz zum Betriebe der Reichseisenbahnen eine Gesellschaft mit der Firma "Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft".

(2) Die anliegende Gesellschaftssatzung ist ein Bestandteil dleses Gesetzes.

§ 2 Geschäftsführung

Die Gesellschaft hat ihren Betrieb unter Wahrung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen.

§ 3 Aktien

(1) Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt fünfzehn Milliarden Goldmark; es ist, eingeteilt in zwei Milliarden Vorzugsaktien und dreizehn Milliarden Stammaktien.

(2) Die Vorzugsaktien lauten auf den Inhaber. Die Stammaktien werden auf den Namen des Deutschen Reichs oder auf Verlangen der Reichssregierung auf den Namen eines deutschen Landes, ausgestellt. Zur Verfügung über diese Stammaktien ist die Zustimmung des Reichsrats und des Reichstags mit der im Artikel 76 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Reichsverfassung vorgesehenen Zweidrittel Mehrheit erforderlich.

§ 4 Reparationsschuldverschreibungen, Reparationshypothek

(1) Die Gesellschaft gibt alsbald nach ihrer Errichtung hypothekarisch gesicherte Schuldverschreibungen im Nennwert von elf Milliarden Goldmark aus (Reparationsschuldversehreibungen). Die Inhaber der Schuldverschreibungen werden durch einen Treuhänder vertreten, der von der Reparationskommission ernannt wird. Die Schuldverschreibungen sind ihm unverzüglich auszuhändigen.

(2) Zugunsten der Gläubiger dieser Schuldverschreibungen entsteht Kraft Gesetzes eine erststelligen, allen bereits eingetragenen Hypotheken und allen sonstigen Pfandrechten im Range vorgehende Gesamthypothek an allen Grundstücken, die zum Reichseisenbahnvermögen gehören, sowie an allen Grundstücken, die Eigentum der Gesellschaft sind (Reparationshypothek); die Hypothek erstreckt sich auch auf alles Zubehör diesser Grundstücke, soweit es Eigentum des Reichs oder der Gesellschaft ist; als Zubehör im Sinne dieser Bestimmung gelten auch alle Fahrzeuge und alle sonstigen beweglichen Sachen .der Reichseisenbahnen und der Gesellschaft.

(3) Die· Reparationshypothek erstreckt sich Kraft Gesetzes ohne weiteres auch auf künftig erworbene Grundstücke samt Zubehör.

(4) Die in Abs. 2 und 3 genannten Sachen unterliegen der Reparationshypethek so lange, als sie Eigentum des Reichs oder der Gesellschaft sind.

(5) Die Rechte, die durch die Reparatianshypothek an den belasteten Grundstücken und ihrem Zubehör entstehen, sowie der Zinsen- und Tilgungsdienst der Reparatiensschuldverschreibungen regeln sich ausschließlich nach diesem Gesetz und der Gesesellschaftssatzung.

(6) Alle zahlungen für den Zinsen- und Tilgungsdienst der Reparationsschuldverschreibungen sind von jeder unmittelbar die Zahlung belastenden deutschen Steuer frei.

§ 5 Betriebsrecht, Übernahme der Rechte und Pflichten

(1) Das Reich überträgt der Gesellschaft unter der Bedingungen, die sich aus diesem Gesetz und der Gesellschaftsssatzung ergeben, das ausschließliche Recht zum Betriebe der Reichseisenbahnen. Das Betriebsrecht endet am 31. Dezember 1964, vorausgesetzt daß alsdann sämtliche Reparationsschuldverschreibungen und sämtliche Vorzugsaktien getilgt, zurückgekauft oder eingezogeee sind.

(2) Wenn die Tilgung, der Rückkauf und die Einziehung bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossen ist, so kürzt sich das Betriehsrecht entsprechend ab und endigt zu diesem früheren Zeitpunkt. Wenn dagegen die Tilgnng, der Rückkauf oder die Einziehung am 31. Dezember 1964 noch nicht abgeschlossen sind, verlängert sich das Betriebsrecht unter den gleichen Bedingungen bis zur Beendigung der Tilgung, des Rückkaufs und der Einziehung.

(3) Das Betriebsrecht umfaßt die Reichseisenbahnen mit allem Zubehör einschließlich der deutschen Bodensee-Dampfschiffahrt und der sonstigen Nebenbetriebe nach dem Stande am Tage des Ubergangs des Bebtriebsrechts auf die Gesellschaft.

(4) Mit dem Betriebsrecht gehen unbeschadet der Vorschriften dieses Gesetzes, insbesondere des § 43 und unbeschadet der Vorschriften der Gesellschaftssatzung auf die Gesellschaft alle mit den Reichseisenbahnen und alle mit dem Unternehmen "Deutsche Reichsbahn" verbundenen Rechtes- und Pflichten über, einschlieslich solcher aus Betriebsverträgen. Diefer Übergang der Rechte und Pflichten hat Rechtswirksamkeit auch gegenüber den bisherigen Vertragsgegnern des Unternehmens.

 (5) Ebenso gehen die Rechte und Verpflichtungen aus den Beteiligungen des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn an anderen Unternehmungen auf die Gesellschaft über, soweit sie am Tage des Überganges des Betriebsrecht dem Unternehmen: ,,Deutsche Reichsbahn“ gehören.

(6) Gleichzeitig gehen die Betriebsvorräte und Kassenbestände sowie die Bankguthaben des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn“ unentgeltlidh in das Eigentum der Gesellschaft über. Die Betriebsvorräte müssen in einer für Fortführung des ordnungsmäßigen Betriebs ausreichenden Menge vorhanden sein.

(7) Alle bei der Deutschen Reichsbahn vorhandenen Bücher, Urkunden, Pläne und sonstigen Schriftstücke sind der Gesellschaft zu überlassen. Entsprechend sind nach Ablauf des Betriebsrechts alle Bücher, Urkunden, Pläne und sonstigen Schriftstücke dem Reiche herauszugeben.

§ 6 Reichseisenbahnvermögen

(1) Die Reichseisenbahnen einschließlich der Beteiligungen der Reichseisenbahnverwaltung und des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn“ an anderen Unternehmungen bleiben Eigentum des Reichs (Reichseisenbahnvermögen). Grundstücke und alle Zubehörstücke einschließlich der Fahrzeuge fallen, wenn die Geselschaft sie für Zwecke der Reichseisenbahnen erwirbt, mit dem Erwerbe durch die Gesellschaft Kraft Gestzes in das Eigentum des Reichs. 

(2) Die Gesellschaft darf über Gegenstände, die zum Reichseisenbahnvermögen gehören, verfügen, somweit sie dies mit einer ordnungsmäßigen Betriebführung für vereinbar hält. Dabei ist die Gesellschaft unbeschadet der Beitimmungen des § 8 verpflichtet, vor einer Verfügung über Gegenstände, deren Wert 250.000 Goldmark übersteigt, die Einwiligung der Reichsregierung und, solange die Reparationsschuldverschreibungen nicht getilgt oder zurückgekauft sind, die Einmwilligung des Treuhänders einzuholen. Der Erlöß ist von der Geselschaft nach den Grundsätzen zu verwenden‚ die zwischen ihr und dem Treuhänder vereinbart sind.

§ 7 Beschränkte Haftung des Reichseisenbahnvermögens für Reichsschulden

Das Reichseisenbahnvermögen haftet für Verpflichtungen des Reichs nur insoweit, als sie aus der bisherigen Verwaltung der Reichseisenbahnen herrühren. Diesen Verpflichtungen gehören auch die Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag über den Übergang der Stantseisenbahnen auf das Reich (Reichsgesetzbl. 1920 S. 774). die von der Geselschaft nach § 43 übernommen werden.

§ 8 Kreditaufnahme

(1) Die Gesellschaft hat das Recht, selbständig Kredite aufzunehmen, deren Lasten vor dem 1. Januar 1965 endigen, und dafür das Reichseisenbahnvermögen Hypothekarisch zu belasten. Solche Hybotheken stehen der Reparationshypothek im Range nach. Dabei sind die Bestimmungen in § 9 der Gesellschaftssatzung zu beachten.

(2) Kredite, deren Lasten sich über den 1. Janıuar 1965 hinaus erstrecken, darf die Gesellschaft nur nach vorheriger Verständigung mit der Reichsregierung aufnehmen.

(3) In beiden Fällen (Abs. 1 und 2) trägt das Reich die Lasten, die auf die Zeit nach Ablauf des Betriebsrechts entfallen.

(4) Die Gesellschaft ist verpflichtet, sich bei der Ausgabe von Anleihen mit der Reichsregierung über die Anleihebedingungen ins Einvernehmen zu setzen.

§ 9 Betriebführung

(1) Die Gesellschaft ist verpflichtet, den Betrieb der Reichseisenbahnen sicher zu führen und die Reichseisenbahnanlagen, nebst den Betriebsmitteln und dem sonstigen Zubehör auf ihre Kosten und den Bedürfnissen des Verkehrs sowie nach dem jeweiligen Stande der Technik gut zu unterhalten und weiterzuentwickeln.

(2) Innerhalb dieser Richtlinien und der sonstigen betrieblichen Vorschriften, sowie in den durch die Aufsicht des Reichs (vgl. §§ 31 ff.) bestimmten Grenzen, ist die Gesellschaft berechtigt, den Betrieb so zu führen, wie sie es für angemessen erachtet.

§ 10 Ausschließlichkeit des Betriebsrechts

(1) Die Gesellschaft hat das ausschließliche Recht zum Betrieb aller Eisenbahnen, die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes von dem Unternehmen „Deutsche Reichsbahn" betrieben werden;, gleichviel ob sie dem allgemeinen Verkehre dienen oder nicht, sowie aller Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs, die später Eigentum des Reichs werden.

(2) Die Gesellschaft hat ferner. das ausschließliche Recht, neue Eifenbahnen des allgemeinen Verkehrs, soweit sie in Zukunft zugelassen werden, auf ihre Kosten zu bauen und zu betreiben. Auf den von ihr betriebenen Eisenbahnen kann sie auf ibre Kosten die nötigen Änderungen und Ergänzungen vornehmen.

(3) Die Reichsregierung kannn der Gesellschaft jederzeit den Bau und Betrieb neuer Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs auferlegen, auch wenn die Gesellschaft glaubt, daß der Bau und Betrieb dieser neuen Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs nicht ertragreich sei oder daß sie den anderen Strecken der Gesellschaft unbilligen Wettbewerb bereiten. Diesen Fällen gehen Bau und Betrieb, sofern die Gesellschaft es beantragt, auf Rechnung des Reichs. Außerdem hat die Gesellschaft gegen das Reich einen Anspruch auf Erlaß der Ausfälle, die die neuen Bahnen dem Betriebe der übrigen Strecken des Netzes verursachen. Wenn jedoch die neuen Bahnen für den Betrieb der übrigen Streden einen Vorteil bringen, fällt dieser Vorteil auf den dem Reiche etwa zur Last fallenden Zuschuß für den Betrieb der neuen Bahnen anzurechnen.

(4) Wenn die Gesellschaft an dem Bau oder Betrieb einer neuen Bahn des allgemeinen Verkehrs nicht Interessiert ist, so kann das Recht zum Bau oder Betrieb einem Dritten verliehen werden.

(5) Der Bau neuer. Strecken zur Erweiterung bestehender privater Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs und die Umwandlung von nicht dem allgemeinen Verkehre dienenden Eisenbahnen in solche des allgemeinen Verkehrs kann nur zugelassen werden, wenn dadurch den Strecken der Gesellschaft kein unbilliger Wettbewerb bereitet wird. Das Reich wird der Gesellschaft das Vorhaben solcher Bauten oder Umwandlungen rechtzeitig mitteilen.

§ 11 Entscheidung über die Bedeutung der Bahnen

Ob eine Eisenbahn als solche des allgemeinen Verkehrs zu gelten hat, entscheidet der für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständige Reichsminister nach Anhörung der beteiligten Landesregierung und der Gesellschaft.

§ 12 Weiterübertragung des Betriebsrechts

Ohne Genehmigung der Reichsregierung und des Treuhänders kann die Gesellschaft das Betriebsrecht weder ganz noch teilweise auf Dritte übertragen.

§ 13 Leistungen für andere Verwaltungen

Leistungen der Gesellschaft für die Reichspost- und die Reichstelegraphenverwaltung und für sonstige Verwaltungen des Reichs, der Länder oder der Gemeinden (Gemeindeverbände) sowie Leistungen dieser Verwaltungen für die Gesellschaft sind gegenseitig nach den im geschäftlichen Verkehr üblichen Sätzen angemessen abzugelten. Die bestehenden Vergünstigungen für Militärtransporte bleiben aufrechterhalten, solange und soweit sie nicht durch neue Vereinbarungen zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft abgeändert werden.

§ 14 Steuerbefreiung

Die Gesellschaft ist von jeder neuen direkten Steuer auf ihre Rein- oder Roheinnahmen, auf ihr bewegliches oder unbewegliches Eigentum oder auf ihr Personal und von jeder sonstigen neuen direkten Steuer des Reichs, der Länder, der Gemeinden (Gemeindeverbände) und sonstiger öffentlicher Körperschaften befreit. Als neue Steuer gilt jede Steuer, der das Unternehnmen „Deutsche Reichsbahn” am 12. Februar 1924 nicht unterworfen war.

§15 Beförderungssteuer

(1) Die Gesellschaft hat die Beförderungssteuer nach dem am 1, April 1924 geltenden Tarif zu erheben. Zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft kann eine vereinfachte Berechnung des Steuerbetrags vereinbart werden; jedoch darf dadurch keine Verminderung des Gesamtaufkommens dieser Steuer eintreten.

(2) Im ersten Geschäftsjahr hat die Gesellschaft den ganzen. Steuerertrag an das Reich abzuführen. Im zweiten Geschäftsjahr hat die Gesellschaft 250 Milllionen Goldmark auf das Konto des Agenten für Reparationszahlnugen bei der „Neuen Bank’‘ und den Rest des Steuerertrags an. das Reich abzuführen. In den folgenden Geschäftsjahren hat die Gesellschaft bis zum Ablauf des Betriebsrechts einschließlich etwaiger Verlängerungen jährlich 290 Millionen Goldmark an den Agenten für Reparationszahlungen und den Rest des Steuerertrags an das Reich abzuführen. Die Zahlungen der Gesellschaft sind monatlich zu leisten.

§ 16 Geltung der Gesetze

(1) Die Gesellschaft unterliegt den Bestimmungen über Handelsgesellschaften nur insoweit, als sie durch dieses Gesetz oder die Gesellschaftssatzung für anwendbar erklärt werden.

(2) Die §§ 178, 179 Abs. 1, 181, 210 Abs. 1, 211, 213, 214 Abs. 1, 217 Abs. 1 und 3, 225, 228 bis 230, 231 Abs. 1, 232 Abs. 1, 235 bis 237, 239, 245, 248, 249 Abs.. 1, 2 und 4, 312. und 314 Abs.. 1 Ziffer 1 und Abs. 2 und 3 des Handelsgesetzbuchs gelten für die Gesellschaft sinngemäß mit der Maßgabe, daß an Stelle der Generalversammlung und des Aufsichtsrats der Verwaltungsrat tritt.

(3) Die für die Eisenbahnen allgemein geItenden Gesetze und Verordnungen sind auf die Gesellschaft insoweit anzuwensen, als sie diesem Gesetz oder der Gesellschaftssatzung nicht widersprechen. Somweit sie sich lediglich auf Privatbahnen, insbesondere auch auf deren Zulassung, Betriebsführung oder Beaufsichtigung beziehen, sind sie auf die Gesellschaft nicht anzuwenden.

(4) Die Gesellschaft kann für sich und ihre Bediensteten die Sonderstellung in Anspruch nehmen, die für die Verwaltungen des Reichs und deren Bedienstete auf dem Gebiete des Versicherungs-, Wirtschafts-, Arbeits-, Fürsorge- und Wohnungsrechts jeweils besteht; in diesen Fällen übt das Verordnungsrecht der für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständige Reichsminister aus; im übrigen werden die Zuständigkeiten der Obersten Reichsbehörde vom Generaldirektor wahrgenommen.

(5) Die Vorschriften der Gewerbeordnung sind auf den Betrieb der Deutschen Reichsbahn nicht anzuwenden. 

(6) Die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Eintragung in das Handelsregister und deren rechtliche Folgen sind auf die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft nicht anzumenden.

§ 17 Befugnisse der Reichsbahnstellen

Die Stellen der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft sind keine Behörden oder amtlichen Stellen des Reichs. Sie behalten jedoch die öffentlich-rechtlichen Befugnisse in gleichem Umfang, wie sie bisher den Stellen des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" zustanden. Die Gesellschaft ist berechtigt ein Dienstsiegel mit dem Reichsadler zu führen.

§ 18 Organe

 Organe der Gesellschaft sind: der Verwaltungsrat und der Vorstand. Ihre Zuständigkeit regelt die Gesellschaftssatzung.

§ 19 Rechts- und Dienstverhältnisse der Bediensteten 

(1) Die Rechts- und Dienstverhältnisse der Bediensteten der Gesellschaft werden durch eine Personalordnung geregelt, die von der Gesellschaft unter Beachtung der nachstehenden Bestimmungen zu erlassen ist.

(2) Die auf dem Gebiete des Arbeits-, Fürsorge- und Versicherungsrechts allgemein geltenden Gesetze und Verordnungen gelten, soweit sie nicht diesem Gesetz oder der Gesellschaftssatzung widersprechen, auch für die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Gesellschaft.

(3) Durch ein besonderes Reichsgesetz (Reichsbahn-Personalgesetz), das gleichzeitig mit diesem Gesetz in Kraft treten soll, sind die bisherigen gesetzlichen Vorschriften über die Rechts- und Dienstbeverhältnisse der Bediensteten mit den Beslimmungen dieses Gesetzes in Übereinstimmung zu bringen.

(4) Bis zum Inkrafttreten der Personalordnung bleiden für die Bediensteten die für das Unternehmen "Deutsche Reichsbahn" geltenden Bestimmungen und Dienstvorschriften maßgebend, soweit nicht die Bestimmungen dieses Gesetzes entgegenstehen.

§ 20 Wahrung erworbener Rechte

(1) Die im Dienste des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn” stehenden Reichsbeamten werden mit Ausnahme der Beamten für den Dienst der Aufsichtsbehörde mit dem Übergange des Betriebsrechts auf die Gesellschaft Reichsbahnbeamte. Ihnen werden an Diensteinkommen, Wartegeld, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung die Ansprüche gewährleistet, die sie als Reichsbeamte hatten; dies gilt auch für die Fortgewährung des gesamten Diensteinkommens bei Krankheit und Erholungsurlaub.

(2) Beamte, Denen ein Rücktrittsrecht zum Unternehmen „Deutsche Reichsbahn" zusteht, können dieses Recht der Gesellschaft gegenüber ausüben.

(3) Die Gesellschaft übernimmt die im Dienste des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" stehenden Angestellten und Arbeiter mit den beiderseitigen Rechten und Verpflichtungen.

§ 21 Landsmannschaftlicher Charakter

Die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Gesellschaft sollen in der Regel in ihrem Dienstbezirke Landesangehörige sein. Sie sind auf ihren Wunsch in ihren Heimatgebieten zu verwenden, sowweit dies möglich ist und nicht Rücksichten auf ihre Ausbildung oder Erfordernisse des Dienstes entgegenstehen.

§ 22 Personalordnung

(1) Die von der Gesellschaft zu erlassende Personalordnung soll unter Beachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes Insbesondere regeln:

a) die Vorschriften über die Einstellung und die Laufbahn der Reichsbahnbeamten,
b) Die Dienstbezeichnungen der Reichsbahnbeamten,
c) das Diensteinkommen, das Wartegeld und alle übrigen Dienstbezüge der Reichsbahnbeamten sowie das Ruhegehalt und die Hinterbliebenenversorgung,
d) die Arbeitszeit (Dienst- und Ruhezeiten) der Reichsbahnbeamten,
e) die Beschäftigungsbedingungen sowie die Besoldungs- und Lohnverhältnisse der Angestellten- und Arbeiter, somweit sie nicht vereinbart werden,
f) die Einstellungs- und Anstelungsbedingungen der Versorgungsanwärter.

(2) Die Gesellschaft kann die jeweils für Reichsbahnbeamte geltenden Dienstvorschriften über die Arbeitszeit auf die Angestellten und Arbeiter übertragen. 

(3) Die Personalordnung Hat die Rechts- und Dienstverhältnisse der Reichsbahnbeamten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Gesellschaft in Anlehnung an die für Reichsbeamte geltenden Vorschriften zu regeln.

§ 23 Pflichten der Reichsbahnbeamten

(1) Der Reichsbahnbeamte ist verpflichtet, das öffentliche Interesse und das Interesse der Gesellschaft zu wahren.

(2) Ein Reichsbahnbeamter, der die ihn obliegenden Pflichten verletzt, wird unter sinngemäßer Anwendung des Dienststrafrechts der Reichsbeamten zur Rechenschaft gezogen. Als Oberste Reichsbehörde gilt der Generaldirektor, der seine Befugnisse auf andere Stellen der Gesellschaft übertragen kann.

(3) Der Generaldirektor ist der höchste Vorgesetzte aller Reichsbahnbediensteten.

§ 24 Versetzung auf andere Dienstposten und Versetzung in den einstweiligen Ruhestand

 Die Gesellschaft kann Reichsbahnbeamte auf Dienstposten von geringerer Bewertung versetzen, wenn das dienstliche Bedürfnis es erfordert. Der Reichsbahnbeamte kann unter Bewilligung von Wartegeld einstweilen in den Ruhestand versetzt werden. 

§ 25 Versorgungsanwärter 

Bei künftig notwendiger Einstelung von Reichsbahnbeamten und -angestellten hat die Gesellschaft für fünfzehn vom Hundert der freien Plätze Versorgungsanwärtern des Heeres, der Marine und der Polzei den Vorrang einzuräumen.

 § 26 Festsetzung der Diesntbezüge

(1) Die Gesellschaft hat die Dienstbezüge der Reichsbahnbeamten mit Ausnahme der leitenden Beamten unter Berückdichtigung der Verhältnisse der Reichsbeamten festzulegen.

(2) Im Falle einer Erhöhung der Dienstbezüge von Klassen der Reichsbahnbeamten mit Ausnahme der leitenden Beamten hat die Gesellschaft ihre Absichten vor der Durchführung der Reichsregierung mitzuteilen. Die Reichsregierung kann innerhalb zwanzig Tagen gegen die Absichten Einspruch erheben oder ihre Änderung verlangen, wenn sie geeignet sind, infolge der Rückwirkung auf die Verhältnisse der Reichsbeamten, eine ernstliche Belastung des Reichs herbeizuführen. Bei Meinungsverschiedenheit zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft kann diese das besondere Gericht (§ 44) anrufen; bis zur Entscheidung des Gerichts bleiben Sie bisherigen Dienstbezüge bestehen.

(3) Durch. diese Vorschrift wird das Recht der Gesellschaft nicht berührt, in besonderen Fällen Vergütungen zu gewähren, solange diese nicht fünf vom Hundert des gesamten Aufwandes für die Dienstbezüge der Beamten übersteigen.

(4) Die Gesellschaft bestimmt die Dienstbezüge der leitenden Beanıten selbständig; der Kreis dieser Beamten wird vom Verwaltungsrate festgesetzt.

§ 27 Einheit des Unternehmens

Bei organisatorischen Maßnahmen der Gesellschaft muß der Charakter des Unternehmens als einer einheitlichen Verkehrsanstalt, insbesondere auf dem Gebiete der Tarife und Finanzen, gewahrt werden.

§ 28 Gerichtsstand

Der allgemeine Gerichtsstand der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft wird durch den Sitz der Stelle bestimmt, die nach der Geschäftsordnung berufen ist, die Gesellschaft in dem Rechtstreit zu vertreten.

§ 29 Rechnungsführung

Die Rechnung der Gesellschaft ist nach kaufmännischen Grundsätzen so zu führen, daß die Finanzlage des Unternehmens jederzeit mit Sicherheit festgestellt werden kann.

§ 30 Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung

(1) Die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung der Gesellschaft sollen innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres veröffentlicht werden.

(2) Die Reichsregierung hat das Recht, jederzeit die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung der Gesellschaft nachprüfen zu lassen, in alle Buchungen für die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung Einsicht zu nehmen, die sich bei der Hauptverwaltung befinden, und sich alle erforderlichen Auskünfte erteilen zu lassen.  Jeboch dürfen hierdurch der Gesellschaft keine besonderen Kosten entstehen.

(3) Die Reichshaushaltsordnung findet auf die Gesellschaft keine Anwendung.

§ 31 Aufsichtsrecht der Reichsregierung

Der Reichsregierung bleibt gegenüber der Gesellschaft vorbehalten:

  1. die Aufsicht darüber, daß die Reichseisenbahnen samt allen Anlagen und Betriebsmitteln in betriebssicherem. Zustand erhalten werden und das der Betrieb zufriedenstellend geführt wird (vgl. § 9 Abs. 1);
  2. die Genehmigung
    1. zur dauernden Einstellung des Betriebs einer Reichsbahnstrecke oder eines wichtigen Bahnhofs,
    2. zu allgemeinen, grundlegenden Neuerungen oder Änderungen technischer Anlagen, insbesondere die Genehmigung zur Ausdehnung oder Einschränkung der elektrischen Zugförderung und zu Systemänderungen im Sicherungswesen. Die konstruktive Durchbildung ist ausschließlich Sache der Gesellschaft;
  3. die Genehmigung zum Erwerb anderer Unternehmungen oder zur Beteiligung an anderen Unternehmungen, die nicht dem Betriebszweck der Reichsbahn dienen;
  4. die Mitwirkung bei Aufstellung der Tarife nach Maßgabe des § 33;
  5. die Mitwirkung bei Aufstelung der regelmäßigen Fahrpläne des Personenverkehrs nach Maßagabe des § 35;
  6. Die Genehmigung zur Abschaffung einer bestehenden Personenwagenklasse;
  7. die Überwachung der Vorkehrungen zur Sicherung eines Notbetriebs,

§ 32 Auskunftsrecht der Reichsregierung

Die Reichsregierung kannn von der Gesellschaft jede Auskunft finanzieler Art und innerhalb ihres Aufsichtsrechts jede Auskunft administrativer und technischer Art verlangen. Dabei dürfen jedoch der Gesellschaft keine überflüssigen Kosten verursacht werden.

§ 33 Tarife

(1) Die Gesellschaft hat vom Tage ihrer Errichtung an die zu diesem Zeitpunkt geltenden Tarife anzuwenden. In der Folgezeit können diese Tarife nach den folgenden Bestimmungen geändert werden. Die in Staatsverträgen enthaltenen Bestimmungen über Tarife sind von der Gesellschaft einzuhalten.

(2) Änderungen der Aussührungsbestimmungen zur Eisenbahn-Verkehrsordnung, Änderungen der Normaltarıfe einschließlich der allgemeinen Tarifvorschriften, der Gütereinteilung und der Nebengebühren sowie Einführung, Änderung und Aufhebung von internationalen Tarifen und von Ausnahmetarifen sowie aller sonstigen Tarifvergünstigungen bedürfen der Genehmigung der Reichsregierung.

(3) Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn der Gesellschaft nicht innerhalb von zwanzig Tagen auf ihren Antrag von dem für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständigen Reichsminister Antwort zugeht. In allen Fällen wird die Reichsregierung der Gesellschaft auf die von dieser vorgelegten Tarifvorschläge, die abschließende Entscheidung in möglichst kurzer Frist erteilen. Die bisherigen Tarife bleiben in Kraft, bis die Reichsregierung entschieden hat, oder bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft über diese Entscheidung bis zur Entscheidung des besonderen Gerichts oder des Schiedsrichters gemäß §§ 44 und 45.

(4) Die Reichsregierung kann auf die vorherige Genehmigung von Tarifmaßnahmen verzichten, die von geringerem öffentlichen Interesse sind. Auch in diesem Falle sind die Tarifänderungen unverzüglich der Reichsregierung anzuzeigen.

(5) Die Reichsregierung kannn ferner Ermäßigungen der Personen- oder Gütertarife und sonstige Änderungen der Tarifbestimmungen verlangen, die sie im Interesse der Deutschen Volkswirtschaft für notwendig erachtet. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft entscheidet das besondere Gericht oder der Schiedsrichter nach den Bestimmungen der §§ 44 und 45.

 § 34 Rücksichtnahme auf den Zinsen- und Tilgungsdienst

Die Aufsicht über den Betrieb und die Tarife der Gesellschaft auf Grund dieses Gesetzes ist von der Reichsregierung so auszuüben, daß die Gesellschaft dadurch nicht gehindert wird, die Einnahmen zu erzielen, die für den Zinsen- und Tilgungsdienst der Schuldverschreibungen sowie für die Vorzugsdividende und die Einziehung der Vorzugsaktien erforderlich sind.

§ 35 Fahrpläne

(1) Die Gesellschaft hat der Reichsregierung die Entwürfe der Jahres- und Halbjahrersfahrpläne des Personenverkehrs mitzuteilen. Die Entwürfe der Jahrspläne internationaler Züge sind vor deren Internationalen Beratung mitzuteilen.

(2) Die Gesellschaft soll die ihr gemachten Änderungsvorschläge der Reichsregierung möglichst berücksichtigen,

§ 36 Verhandlungen mit ausländischen Regierungen

Die Gesellschaft darf Verhandlungen mit ausländıschen Regierungen nur mit vorheriger Zustimmung der Reichsregierung einleiten. Die entgültige Genehmigung zu Vereinbarungen mit ausländischen Regierungen bleibt der Reichsregierung vorbehalten.

§ 37 Bauten

(1) Der Bau neuer Reichsbahnstrecken, der Erwerb bestehender Eisenbahnstrecken und die Umwandlung einer von der Gesellschaft betriebenen Nebenbahn in eine Hauptbahn und umgekehrt sind nur mit Zustimmung der Reichsregierung zulässig.

(2) Die Pläne für den Bau neuer und die Veränderung bestehender Reichseisenbahnanlagen, soweit darüber zwischen der Gesellschaft und einer Landespolizeibehörde Meinungsverschiedenheiten bestehen, sowie die Pläne für neue Reichsbahnstrecken sind von der Reichsregierung endgültig festzustellen. In diesen Fällen hat die Gesellschaft die Pläne —soweit nach Artikel 94 Abs. 1 der Reichsverfassung erforderlich, mit dem Gutachten der Landesbehörde — dem für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständigen Reichsminister zur Feststellung vorzulegen.

(3) Die Baupläne werden von der Gesellschaft selbständig festgestellt, soweit nicht ihre Feststellung nach Abs. 2 der Reichsregierung vorbehalten ist.

(4) In allen Fällen gilt die Feststellung der Baupläne, soweit Enteignung erforderlich wird, als eine vorläufige.

 (5) Die Gesellschaft hat dafür einzustehen, daß ihre Bauten allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Behördliche Abnahmen finden nicht statt.

§ 38 Enteignung

(1) Die Gesellschaft hat zur Erfüllung ihrer Aufgaben das Enteignungsrecht.

(2) Die Zulässigkeit der Enteignung im Einzelfalle wird auf Antrag der Gesellschaft durch den Reichspräsidenten endgültig festgestellt. Die endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit der Inanspruchnahme fremder Grundstücke zur Ausführung von Vorarbeiten trifft der für die Aufsicht über die Eısenbahnen zuständige Reichsminister nach Anhörung der zuständigen Landespolizeibehörde. Die endgültige Entscheidung über die Art der Durchführung und den Umfang der Enteignung trifft, soweit sie nicht in einem Verwaltungsstreitverfahren ergeht, der für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständige Reichsminister nach Anhörung der Landespolizeibehörde. Im Übrigen gelten die Enteignungssgesetze der Länder.

(3) Die Enteignung von Teilen des Reichseisenbahnvermögens und von Grundstücken der Gesellschaft ist nur nach vorheriger Genehmigung der Reichsregierung zulässig.

§ 39 Eisenbahn und Wegerecht 

Wenn an einer Kreuzung der Reichsbahn mit einem öffentlichen Verkehrsweg infolge Vermehrung des Verkehrs, der sonstigen Veränderung der Verhältnisse, die Anlagen der Reichsbahn oder des Verkehrswegs der beider geändert werden müssen, so sind die Kosten von der Gesellschaft allein zu tragen, wenn die Veränderung allein durch den Reichsbahnverkehr veranlaßt war, allein vom Wegebaupflichtigen, wenn sie allein durch den Wegeverkehr veranlaßt war. Die Kosten sind zwischen beiden angemessen zu verteilen, wenn die Veränderung sowohl durch den Reichsbahn-, als auch durch den Wegeverkehr veranlaßt war. Bei Streit über die Verteilung der Kosten wird die endgültige Entscheidung, soweit sie nicht in einem Verwaltungsstreitverfahren ergeht, von dem für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständigen Reichsminister getroffen.

 § 40 Aufsicht über Privatbahnen

Die Reichsregierung kann einzelnen Stellen der Gesellschaft, namentlich den Reichsbahndirektionen, Geschäfte der Reichsaufsicht über nicht von der Gesellschaft betriebene Eisenbahnen (Artikel 95 der Reichsverfassung) übertragen. Die Aufsicht ist nach den Weisungen der Reichsregierung auf deren Rechnung zu führen. Reichsbahnangestellte, die mit solchen Aufsichtsgeschäften betraut werden, sind für diese Amtsgeschäfte besonders in Pflicht zu nehmen.

§ 41 Ablauf des Betriebsrechts 

(1) Mit dem Ablauf des Betriebsrechts hat die Gesellschaft der Reichsregierung unentgeltlich die Reichseisenbahnen samt allem Zubehör und den zur ordnungsmäßigen Betriebführung nötigen Betriebsvorräten sowie mit allen Nebenbetrieben lastenfrei in ordnungsmäßigem Zustand zu übergeben und alle Beteiligungen an anderen Unternehmungen auf das Reich zu übertragen. Mit der Übergabe gehen alle aus der laufenden Betriebsführung sich ergebenden Rechte und Verbindlichkeiten auf das Reich über.

(2) Nach Ablauf des Betriebsrechts tritt das Reich in alle von der Gesellschaft abgeschlossenen laufenden Verträge an deren Stelle ein. a

§ 42 Liquidation

Nach Ablauf des Betriebsrechts hat die Gesellschaft unverzüglich ihre Liquidation durchzuführen. Das Vermögen der Gesellschaft, das nach Berichtigung aller Schulden verbleibt, soweit sie nicht vom Reiche übernommen werden, fällt dem Reiche zu.

§ 43 Staatsvertrag

(1) Die Gesellschaft übernimmt die Rechte und Pflichten des Reichs, die sich aus den Bestimmungen des Staatsvertrags über den Übergang der Staatseisenbahnen auf das Reich, des Schlußprotokoll dazu sowie des Reichsgesetzes vom 30. April 1920 (Reichsgesetzbl. S. 773) ergeben, jedoch mit Ausnahme der Bestimmungen der §§ 3 bis 7, 17, 20, 25, 33, 37 und 43 des Staatsvertags und des Schlußprotokolls zu § 22 Ziffer 2 und 3, zu § 24 Ziffer 2 und 3 letzter Satz, zu § 36 Ziffer 2 und zu § 37.

(2) Streitigkeiten über die Auslegung der Anwendung des Abs. 1 und der danach für die Gesellschaft geltenden Bestimmungen sind, wenn die Gesellschaft an dem Streite beteiligt ist, ausschließlich vor den in den §§ 44 und 45 genannten Stellen auszutragen. Die Länder führen den Streit nur durch Vermittlung des Reichs.

§ 44 Besonderes Gericht

(1) Streitfälle zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft über die Auslegung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der Gesellschaftssatzung, über Maßnahmen auf Grund des Gesetzes oder der Satzung oder über sonstige ähnliche Fragen sind der Entscheidung eines besonderen Gerichts zu unterbreiten.

(2) Das Gericht wird beim Reichsgerichte gebildet. Es besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern. Der Vorsitzende und gleichzeitig ein Stellvertreter für den Fall der Behinderung des Vorsitzenden werden vom Reichsgerichtspräsidenten für fünf Jahre bestellt. Beide müssen deutsche Richter von befonderer Erfahrung fein. Ihre Wiederbestellung ist zulässig. Die Beisitzer werden jeweils für jeden Streitfall vom Reichsgerichtspräsidenten bestellt, und zwar der eine Beisitzer auf Vorschlag der Reichsregierung, der zweite Beisitzer auf Vorschlag der Gesellschaft. Im übrigen gelten für das. Gericht die Vorschriften der §§ 19 Satz 2 und 3, 20 bis 22, 24 bis 26, 28 Abs. 1, 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1und § 30 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof (Reichsgesetzbl, 1921 S. 905) sinngemäß. Die näheren Bestimmungen über das Verfahren werden durch eine Geschäftsordnung geregelt, die vom Reichsgerichtspräsidenten erlassen und im Reichsgesetzblatte veröffentlicht wird.

(3) Glaubt die Reichsregierung oder die Gesellschaft, daß bei Durchführung der Entscheidung des Gerichts der Zinsen- und Tilgungsdienst der Reparationsschuldverschreibungen gefährdet wird, so kann jeder der beiden Teile binnen einer Frist von einem Monat seit Verkündung der Entscheidung den Schiedsrichter (§ 45) anrufen. 

(4) Die Reichsregierung und die Gesellschaft können ferner dem Schiedsrichter (§ 45) anrufen, wenn binnen eines Jahres, bei Tariffragen, binnen drei Mönaten. seit Eingang des ersten Antrags beim Gericht dessen Entscheidung nicht verkündet ist, und wenn sich daraus eine Gefährdung des Dienstes der Reparationsschuldverschreibungen ergibt. Nach Anrufung des Schledsrichters ist das Verfahren vor dem Gericht einzustellen.

§ 45 Schiedsrichter

(1) Streitfälle. zwischen der Reparationskommission, oder einer in ihr vertretenen Regierung oder dem Treuhänder oder dem zur Wahrung. der Rechte der Schuldverschreibungsgläubiger. bestellten. Eisenbahnkommissar einerseits und der Reichsregierung und der Gesellschaft oder einer Dieser beiden, anderseits oder zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft, in diesem Falle jedoch nur unter den im § 44 bestimmten Voraussetzungen, über die Auslegung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der Gesellschaftssatzung, über Maßnahmen auf Grund des Gesetzes oder der Satzung oder über sonstige ähnliche Fragen sind bis zur vollständigen Tilgung der Reparationsschuldverschreibungen durch einen Schiedsrichter zu entscheiden.

(2) Der Schiedsrichter ist von dem jeweiligen Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs zu ernennen und soll, falls eine der Beteiligten Parteien es wünscht, neutrale Staatsangehörigkeit besitzen. Seine Entscheidung ist endgültig und unanfechtbar.

§ 46 Goldmark

Alle Zahlungen, die an den Agenten für Reparationszahlungen auf Grund dieses Gesetzes und der Gesellschaftssatzung zu leisten sind, sind in Goldmark oder deren Gegenwert in deutscher Währung zu leisten. Als Goldmark im Sinne dieser Bestimmumug gilt der Preis von 1/2790 Kilogramm Feingold. Dieser Preis ist auf Grund der Londoner Goldpreise am dritten Börsentage vor der Fälligkeit der einzelnen Leistungen festzustellen. Der Umrechnung in die deutsche Währung ist der Mittelkurs der letzten amtlichen Berliner Notierung für Auszahlung London am dritten Börsentage vor der Fälligkeit der einzelnen Leistungen zugrunde zu legen. Bei früheren Zahlungen tritt für die Berechnung der Goldmark an Stelle des Fälligkeitstages der Tag der Zahlung.

§ 47 Übergangsbestimmungen

(1) Dieses Gesetz tritt mit dem auf seine Verkündung folgenden Tage in Kraft,

(2) Der Übergang des Betriebsrechts auf die Gesellschaft vollzieht sich nach folgenden Vorschriften:

(3) Sobald die Reichsregierung und der Treuhänder die von ihnen auf Grund dieses Gesetzes zu ernennenden Mitglieder des Verwaltungsrats ernannt haben, teilen sie dies dem „Organisationskomitee der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft" mit, das die erste Sitzung des Verwaltungsrats einberuft.

(4) Der Verwaltungsrat wählt sodann seinen Präsidenten und einen oder mehrere Vizepräsidenten und ernennt den Generaldirektor der Gesellschaft, dessen Ernennung der Bestätigung durch den Reichspräsidenten zu unterbreiten ist.

(5) Dem Generaldirektor obliegt es, unter Vorbehalt der Zustimmung des Verwaltungsrats im Einvernehmen mit dem Reichsverkehrsminister alle nötigen Vorbereitungen für den Übergang des Betriebsrechts zu treffen.

(6) Der Reichsverkehrsminister und der Generaldirektor werden eine überschlägige Feststellung des Wertes der Betriebsvorräte aller Art, der Kassenbestände und der Bankguthaben des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn“ vornehmen, soweit sie auf die Gesellschaft übergehen. Die Betriebsvorräte müssen insgesamt annähernd dem Stande entsprechen, wie er in der vom Reichsverkehrsminister dem Orgamisationskomitee am 8. Juli 1924 übersandten Übersicht geschättz ist. Bei der Schätzung des Wertes der Bestände ist nach den gleichen Grundsätzen zu Verfahren wie bei der Schätzung vom 8. Juli 1924. Die Übersicht vom 8. Juli 1924 enthält auch eine Schätzung aller wichtigeren Verbindlichkeiten des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn", die von der Gesellschaft zu übernehmen sein werden.

(7) Der Reichsverkehrsminister und der Generaldirektor können sich im Falle einer Meinungsverschiedenheit an das Organisationskomitee wenden, das endglüiltig entscheidet.

(8) Wenn alle Vorbereitungen für den Übergang des Betriebsrechts ordnungsmäßig getroffen sind, teilen der Reichsverkehrsminister und der Generaldirektor dies gemeinschaftlich dem Organisationskomitee mit. Das Komitee zeigt darauf der Reichsregierung an, daß die Gesellschaft bereit ist, den Betrieb zu übernehmen. Der Übergang des Betriebsrechts wird damit rechtswirksam. Der Tag des Überganges ist im Reichsgesetzblatte bekanntzumachen. Mit dem gleichen Tage tritt die Verordnung über die Schaffung eines Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" vom 12. Februar 1924 (Reichsgesetzbl. S. 57) außer Kraft.

Berlin, den 30. August 1924

Der Reichspräsident

Ebert

Der Reichsverkehrsminister

Oeser

Der Reichsminister der Finanzen

Dr. Luther

Anlage
(zu § 1 Abs. 2 des Gesetzes)
Satzung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft
(Gesellschaftssatzung)