Oldenburger Spaziergänge und Ausflüge - 1912 - Erstellung -
Aus der Vorrede zur 2. Auflage
"Für Leckermäuler wird hier nicht gekocht!" pflegte vor Jahren der Präsident unseres Mittagstisches zu sagen, wenn einer der Gäste Auswahl oder Beschaffenheit der Speisen bemängelte: "Für Leckermäuler wird hier nicht gekocht." Die Gäste lernten - und einige hatten es in der Tat nötig - sich zu bescheiden und ihre Ansprüche der Gelegenheit anzubequemen.
Man könnte das Sprüchlein auch denen zurufen, welche die Naturschönheiten unseres Ländchens aufsuchen und sich in ihren Erwartungen getäuscht finden. Es ist nun einmal nicht anders. Die Genüsse, welche unsere Heimat dem Naturfreunde bietet, sind weder großartig noch Reich an Abwechselung. Alte strohgedeckte Bauernhäuser mit Eichenhöfen und prunklosen, wenn auch nicht ganz schmucklosen Gärten, breite Esche mit wallenden Roggenfeldern, eingefasst von Dörfern und Einzelgehöften, von Hecken und Holzungen, endlich die Wälder selbst, die in buntem Gemisch von Eichen-, Buchen- und Nadelholzbeständen und oftmals von Wiesen unterbrochen über die Geest zerstreut liegen - das sind die bescheidenen Schönheiten, die der Wanderer wieder und wieder erblickt, und in denen er den Lohn seiner Mühen finden muss. Selten ist es, daß eine besondere Würze diese Altagskost reizender macht. Zwischenahn mit seinem auf der Fläche von Seglern und Dampfschiffen, an den Ufern durch Wälder und schwimmende Häuser belebten See, der Hasbruch und der Bokhorner Urwald mit ihren Rieseneichen, Hude, mit seinen Klosteruinen und seinem Park sind solche Festgerichte, die eben dieser besonderen Würze wegen den meisten Zuspruch finden.
Und lägen noch Dorf und Esch und Wald und Wiese in stetem ununterbrochenen Nebeneinander! Aber in Wirklichkeit sind die anmutigeren Punkte Oasen in einer Wüste von Heide, Moor und Sand, und stundenlang muss oftmals der Wanderer im Schweiße seines Angesichts auf schlechten Wegen durch Öden und Umland pilgern, ehe er ein freundlcihes Dörfchen oder einen schattigen Wald erreicht.
Trotzdem hat unsere Landschaft treue Freunde und erwirbt sich deren von Jahr zu Jahr mehr. Vielleicht werden diese es nicht ungern sehen, wenn wir ihnen das trockene Wegeverzeichnis, das wir vor drei Jahren erscheinen ließen, nunmehr um einige Touren vermehrt und zugleich in etwas weniger mageren Form darbieten. Der eigentlichen Schilderung enthalten wir uns auch diesmal, aber wir deuten doch an, was man auf diesenm oder jenem Ausflug zu erwarten hat. Vereinzelte historische Notizen und hier und da eine Sage werden, wie wir hoffen, nicht unwillkommen sein.
Die Marsch ist wenig berücksichtigt. Ungeachtet oder wegen ihrer Fruchtbarkeit - Wir lassen die Wahl - ist die Landschaft zu einförmig, um den bloßen Lustwandler zu häufigem Besuch einzuladen.
Das Ammerland und die friesische Wede sind mehr zu empfehlen. Wir haben dort alle einzelnen Schönheitselemente unserer Gegend, und meist ziemlich nahe bei einander, also im häufigem Wechsel. An Höhenunterschieden fehlt es fast ganz, aber dafür ist die Wiese hier häufiger als in den übrigen Geestbezirken, und neben den Staatsforsten finden sich auch Bauernholzungen, die vor ersteren Vorzüge haben. Die Staatsforsten sind mit Ausnahme geringer Flächen forstmäßig bewirtschaftet und zeigen daher meist fest begrenzte Schläge bestimmter ungemischter Baumarten, wärend in den Holzungen der Bauern, je nach der Einsicht der Besitzer zwar für Durchforstung, Abwässerung u. dgl. mehr oder weniger gut gesort, aber im übrigen die freiwillig entstandene Mischung der Bestände beibehalten und auch dem Unterholz Raum und Leben gegönnt ist. Im allgemeinen sind daher die Bauernholzungen die hübscheren. Doch ist es mit den Wegen in denselben manchmal schlecht bestellt.
Die Delmenhorster Geest ist höher als die ammersche und hat durch die umschließenden Flüsse und mehrere auf ihr entspringenden Flüsse und Bäche Gelegenheit, diese höhere Lage dem Auge sichtbar zu machen. Namentlich an der oberen Hunte von Wildeshausen bis Sandhatten und an der Weserniederung von Bremen abwärts fällt die Geest ziemlich steil ab, indessen haben auch jede kleineren Gewässer, zum Beispiel die Delme. die, Welse, der Vielsteder Bach und der Rittrumer Bach sich Thäler ausgearbeitet, welche dem Boden eine wechselnde Höhenlage verleihen. Es gibt große und sehenswerte Staatsforsten. So z.B. den Hasbruch, das Stenumer Holz., den Stühe, aber wenig Privatholzungen, wenn auch den Bauernhäusern der Schmuck wohlbesetzter Eichenhöfe keineswegs fehlt. Wiesen sind weniger vorhanden, aber auch weniger Moore. Während im Ammerlande erattische Blöcke kaum vorkommen, hat die alte Grafschaft Delmenhorst deren als auch auch kleinerer Steine ziemlich viel. Es ist mit dem Vorrat durch Chaussee und andere Bauten stark aufgeräumt, doch blieb noch genug übrig um dem Wanderer aufzufallen. Abgesehen von den Steinen, die auf der Heide zerstreut liegen. erkennen wir den Steinreichtum an vielen Hofeinfriedungen, deren Hauptbestandteil Granitblöcke bilden. an den auf Granitblöcken errichteten Schafkofen und nicht am wenigsten an den Steindenkmälern, deren sich noch manche, wngleich im beschädigten Zustande erhalten haben.