"DIE" Reichsbahn

Eine Reichsbahn im Sinne einer einheitlich organisierten und zentral gelenkten Organisation gab es nicht wirklich. Grob kann man folgende Epochen unterscheiden.

  1. Durch die in Folge des Staatsvertrag begründete Übernahme der Länderbahnen ab dem 1.4.1920 sich formierende "Reichseisenbahnen", welche bis 1923 mehr oder weniger eine Fortführung der bisherigen Länderbahnen war.
  2. Ab 1924 im Form der "Deutschen Reichsbahn Gesellschaft" zur Finanzierung der Reparationsleistungen aus dem Versailer Vertrag in Folge des Dawes- und Young-Plan.
  3. Ab 1935 wieder als direkt dem Reiche unterstehende Behörde. Diese kann ab nun wirklich als einheitlich organisiert und zentral gelenkt betrachtet werden, auch wenn den Direktionen immer noch eine gewisse Eigenständigkeit verblieb.
  4. In wieweit die Eisenbahnorganisation(en) ab der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 als etwas neues betrachtet werden kann, mag dahingestellt bleiben. Rein rechtlich blieb die Reichsbahn in ihrer ursprünglichen Verfasstheit weiter bestehen. Dessen ungeachtet entstand am 24. Mai 1949 mit Wirkung vom 7. September 1949, durch die Umfirmierung der "Deutschen Reichsbahn im vereinten Wirtschaftsgebiet" in "Deutsche Bundesbahn", eine neue Verwaltung in den Westzonen, während vor allem in Hinblick auf die Verkehrshoheit in Berlin die ostzonale Eisenbahn bis zur Wiedervereinigung unter ihrem alten Namen firmierte. Wenn man es streng nimmt hat die 1920 gebildete "Deutsche Reichsbahn" als Rechtspersönlichkeit erst mit der Übertragung in die "Deutsche Bahn AG" aufgehört zu existieren.

Mit Abschluss des Staatsvertrages zwischen dem Freistaat Oldenburg und dem Deutschen Reich, erwarb dieses vom Großherzogtum deren Staatseisenbahn mit allem Zubehör und Vermögen zum. 1. April 1920, unter Übernahme des Personales. Hierzu wurden die Bediensteten aus ihrem Dienstverhältniss mit dem Land entlassen und in eines mit dem Reiche überführt. Dies führte dazu das die Beamten nunmehr auf die Reichsverfassung neu vereidigt wurden.

Während man anfangs noch von der "Verwaltung der Reichseisenbahnen" sprach, so wurde mit Erlass vom 27. Juni 1921 die Bezeichnung "Deutsche Reichsbahn" als zukünftige Firma entgültig festgelegt.

1919 bis 1924

Die durch das Reich übernommenen Eisenbahnen waren in einem mehr oder weniger desolaten Zustand. Die vergangenen Kriegsjahre hatten sowohl das Personal als auch Anlagen und Material an die Grenzen der Belastbarkeit und weit darüber hinaus gebracht. Die Eisenbahn-Direktion, nun nicht mehr großherzoglich, dürfte wohl noch zu den glücklicheren zählen, da sie ihre Anlagen zwar nicht in dem Maße wie geplant, aber durchaus im bescheidenem Maße hatte erneuern und modernisieren konnte. Sie hatte einen funkelnagelneuen Hauptbahnhof in Oldenburg und einen hochmodernen Verschiebebahnhof vor der Stadt, der sogar elektro-Mechanische Stellwerke hatte. Auch wenn die gewählte Bauform von Orenstein & Koppel schon etwas speziell und nicht die verbreitere Bauform von Siemens und Halske war, so war dies der letzte Schrei der Eisenbahnsicherungstechnik. Wie bereits anderen Ortes berichtet, waren auch der auf sie entfallene Anteil an den Reparationsleistungen in Form von Materialablieferungen zwar schmerzhaft, aber nicht so schwerwiegend wie insbesondere der auf die preußischen Bahnen entfallende Anteil. Der Betrieb konnte den Verkehrserfordernissen entsprechend aufrecht erhalten werden. Dies wird aber noch Gegenstand weiterer Forschung und Klärung zu einem späteren Zeitpunkt sein.

Bereits zu diesem Zeitpunkt wirkten sich die Reparationsforderungen der Siegermächte des ersten Weltkrieg, vor allem die Frankreichts, bestimmend auf die Geschicke des Reiches aus. Man kann sich nun darüber streiten ob die Übernahme der Staatseisenbahnen der Länder durch das Reich sich im Nachgang und historischem Rückblick als Fehler herausgestellt hat. Trotzdem kommt man nicht an der Tatsache herum das die Reichseisenbahnen der größte, ertragreichste und sicherste Vermögensgegenstand des Reiches waren. Auch wenn zeitweise auch die Heranziehung der (Privvat-) Industrie angedacht war, so war schnell allen Bewusst das die Reparationszahlungen vor allem durch die Reichseisenbahnen aufzubringen sein werden.

Der Einmarsch französischer Truppen in das Ruhrgebiet 1923 und letztlich die Besetzung des Rheinlandes unter zeitweiser Übernahme des Betriebes durch diese in Folge des passiven und aktiven Widerstand seitens der Bediensteten, verschärften die sehr anspruchsvollen ersten Jahre der noch sehr jungen und uneinheitlichen Reichsbahn, wie sie seit dem 1. April 1920 offiziell hieß.

1924 - 1936

Da das ganze Durcheinander sowohl betrieblich als auch politisch/rechtlich in eine geordnete Form überführt werden sollte und musste, wurde mit dem Reichsbahngesetz 1924 das beim Reiche liegende Betriebsrecht der Reichseisenbahnen auf eine privatwirtschaftlich handelnde Gesellschaft öffentlichen Rechts überführt. Diese "Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft" hatte neben der Aufgabe des am Wohle der deutschen Volkswirtschaft orrientierten Betriebes vor allem die Aufgabe die Reparationsschulden des Reiches zu tilgen. Über den sogenannten Eisenbahnkommissar und dem Verwaltungsrat übten die Siegermächte eine indirekte Kontrolle aus. Man kann es nicht deutlich genug sagen, Hauptaufgabe der Reichsbahn war nicht einen modernen Eisenbahnbetrieb zu entwickeln und aufrecht zu erhalten sondern Geld für die Bedienung der Reparationsverpflichtungen zu erwirtschaften. Diesem Ziel war alles andere nach- und untergeordnet (Was die Bundesbahn nach dem nächsten verlorenen Krieg dann auch wieder durfte.)

Reichsbahngesetz - 1924
Satzung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft - 1924
Reichsbahn-Personalgesetz


Aus: Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn (Hrsg): Hundert Jahre deutsche Eisenbahnen. Jubiläumsschrift zum hundertjährigen Bestehen der deutschen Eisenbahnen. Verkehrswissenschaftliche Lehrmittelgesellschaft Berlin, 1. Auflage 1935