29.06.1900 Schiff rauscht in Huntebrücke


Nachrichten für Stadt und Land (Oldenburg) (30.06.1900)

Die Eisenbahnbrücke über die Hunte bei Huntebrück ist in der Nacht aus Freitag durch ein von dem Schlepper „Bremerhaven" gezogenes Bockschiff so stark beschädigt, daß sie für längere Zeit unpassierbar ist. Die Züge der Strecke Hude-Nordenham gehen nur bis Berne, der' Verkehr von Elsfleth abwärts bis Nordenham geht über Brake-Oldenburg . Die bctr. Züge hatten daher gestern Verspätung, resp. blieben aus.


Nachrichten für Stadt und Amt Elsfleth (30.6.1900)

Der bereits unseren hiesigen Abonnenten durch Extrablatt von heute Morgen kurz gemeldete bedauerliche Unfall (schon mehr Umfall. Die Red.) an unserer Eisenbahnbrücke zeitigt für unser gesammtes Verkehrsleben ernste Folgen, deren Tragweite sich zur Zeit noch nicht übersehen läßt. Eisenbahnseitig werden augenblicklich die Züge Nordenham - Elsfleth und Elsfleth -Nordenham zu den gewöhnlichen Abfahrtszeiten befördert , auch sind die Verbindungen von Brake nach Oldenburg möglichst im Anschluß an die von Oldenburg verkehrenden Züge gelegt. Hoffentlich bewahrheitet sich die gewiß gerechte Forderung , daß für den ersten Zug nach Hude und den letzten Zug von Hude Sonderzüge eingestellt werden, welche den Reisenden Gelegenheit bieten, die mit dem sonstigen Zuge 6 . 44 Vorm, nach Hude und weiterhin bestehenden Verbindungen und mit dem früheren Zuge von Hude 10 30 Nachts die bisherige Verwendung der Anschlüsse und Tageskarten auszunutzen . — Der Anschluß der Postverbindungen wird sich eng an die bestehenden Züge unter Ausnutzung der Bahnstrecke Brake-Oldenburg durch Einstellung von Bahnposten u. s . w. halten . Es bleibt jedoch unvermeidlich , daß bis zur festen Regelung der Verbindungen die Bestellung der Postsendungen im Ort derart verschoben wird , daß die bislang um 10 Vorm , und 4 Nachm , erfolgenden Bestellungen um 11 Vorm . und 6 . 30 Nachm, erst erfolgen, was hoffentlich nicht zu lange dauern wird.

Seitens der Großherzogl . Eisenbahndirection ist heute Abend bekannt gemacht worden , daß bis auf Weiteres folgende Sonderpersonenzüge gefahren werden: von Elsfleth nach Brake 6 Uhr 3 Min . Morgens zum Anschluß an den um 6 . 30 Morgens von Brake nach Oldenburg fahrenden Zug , der um 7 . 33 Morgens in Oldenburg eintrifft . Von Brake nach Elsfleth 11 Uhr 9 Min . Abends zum Anschluß an den 10 . 02 Abends von Oldenburg absahrenden Zug , der um 11 . 05 Abends in Brake und um 11 . 29 Abends in Elsfleth eintrifft. Im Uebrigen bleiben die fahrplanmäßigen Züge von Elsfleth nach Brake bestehen , die dort Anschluß nach Oldenburg haben . Nur muffen Reisende , die Abends nach Oldenburg und weiter wollen , den um 7 Uhr 15 Min . Nachmittags nach Brake fahrenden Zug benutzen , der um 8 . 27 Anschluß nach Oldenburg und von
dort weiter hat.


Nachrichten für Stadt und Land (Oldenburg) (2.7.1900)

Zu der Beschädigung der Eisenbnhnbrücke wird bahnamtlich bekannt gemacht : Am Freitag, den 23. (richtig 29.) Juni, morgens 3,30 Uhr ist der Hamburger Schleppkahn „Weserzeitung ", welcher durch einen Dampfer geschleppt wurde und mit steigendem Wasser stromauswärtS fuhr , gegen die Eisenbahnbrücke über die Hunte bei Elsfleth gefahren und hat die Eisenkonstruktion, von zwei festen Brückenöffnungen, die der Drehbrücke zunächst liegen , derartig verschoben, daß jene auf dem Mittelpfeiler nur noch mit der einen Trägerwand hängen . Die Strecke Berne - Elsfleth ist bis zur Wiederherstellung der Brücke , welche sogleich in Angriff genommen ist und Voraussichtlich einige Wochen dauern wird, vollständig gesperrt. Der Verkehr wird während dieser Zeit über die Strecke Oldenburg -Loy- Brake umgeleitct . Sobald es gelungen ist, die Brücke wieder auf die Pfeiler zu legen und so weit wieder herzustellen , das sie wenigstens begangen werden kann, was möglicherweise in 8 Tagen möglich sein wird , soll Umsteigeverkehr eingerichtet werden . Zur Erzielung der Anschlüsse für die Zeit des Umleitungverkehrs sind von der Eisenbahndirektion Sonderzüge eingelegt worden, deren Fahrplan im Inseratenteil der heutigen Nummer veröffentlicht ist.


Oldenburgische Staatseisenbahn

Infolge der durch Beschädigung der Huntebrücke bei Elsfleth eingetretenen
Sperrung der Eisenbahnstrecke Berne - Eltfieth muß bis weiteren
der gesamte Verkehr über Oldenburg - Brake geleitet werden.
Zur Vermittelung der Anschluss« werden

Zur Vermittlung der Anschlüsse werden folgende Sonderpezüge ge-
fahren:

1) von Elsfleth                    6:03 vorm.
   von Hammelwarden        6:11
   von Kirchhammelwarden 6:17
   in Brate                          6:.23
   zum Anschluß an den 6:30 nach Olde-,
  burg fahrenden Zug 141.
2) von Oldenburg              7.08 vorm,
   in Brake                         8.00
   zum Anschluß an den Zug 42 a (8:15
   nach Nordenham ) und den Zug 41 b.
   welcher 8:14 von Brake nach Elsfleth
   fährt . Der Zug fahrt von Oldenburg
   bis Brake durch.
3) von Brake                      8:21 vorm
    von Ovelgönne              8:30
    von Stückhausen            8:36
    von Oldenbrok              8:43
    von Großenmeer           8:53
    von Loy                        9:04
    von Ipwege                   9:08
    von Etzhorn                  9:13
    von Ohmstede              9:19
    von , Oldenburg           9:26
    Der Zug nimmt in Brake die An-
    schlüsse der Züge 41 b (7:11 von Norden-
    ham) und 42 a (7:53 von Elsfleth) auf.
4) Der Persouenzug 146 (2:37 nachm,
    von Oldenburg nach Brake ) wird
   den Anschluß des Schnellzug - 6 ( 1:58
   von Bremen ) abwarten , demnach erst
   3 .00 von Oldenburg fahren , 4 .03 in
   Brake - eintreffen und hier Anschluß an
   den Zug 48 , welcher wartet , nach
   Nordenham sowie an den Zug 47 (5:43
   nach Elsfleth ) erreichen,
5) Von Nordenham       4:37 nachm.
    von Großensiel         4:.42
    von Kleinensiel         4:.48
    von Rodenkirchen    4:.58
    von Sürwürden         5:01
    von Golzwarden       5:07
    von Brake                5:14
    in Oldenburg           6:02
   zum Anschluß an den Zug . (6:12 nach
   Bremen ) .
6) von Oldenburg 7:08 nachm.
    in Brake            7:56
    Der Zug, welcher unterwegs nicht
    anhält, nimmt in Oldenburg den An-
    schluß des Schnellzuges 8 (6:10 von
    Bremen ) auf und erreicht in Brake An-
    schluß an den Zug 48, welcher 8:00 nach
    Nordenham fährt , und an den Zug 49
    (8:23 nach Elsfleth).
7) Von Brake                      11:10 nachm.
    von Kirchhammelwarden 11:15
    von, Hammelwarden       11:21
    von Elsfleth                     11:29
    Der Zug nimmt in Brake den An-
    schluß des Zuges 150 (10:02 von Olden-
    burg ) auf.

Grosth. Eisenbahn-Direktion.


Nachrichten für Stadt und Land (Oldenburg) (9.7.1900)

Oldenburgische Staatseisenbahn

Die Beschädigung der Huntebrücke
bei Elsfleth ist soweit behoben, daß
vom Donnerstag den 12. Juli
an ein Umsteigebetrieb an der Hunte-
brücke, jedoch nur für Personen und
nicht zu schweres Reisegepäck einge-
richtet werden kann.

Von diesem Tag an werden sämt-
liche Personenzüge der Richtung
Nordenham . Elsfleth um etwas
2o Minuten verfrüht, während die
Personenzügeder Richtung Elsfleth-
Nordenham um durchschnittlich 15
Minuten verspätet werden, jedoch ver-
kehrt der Spätzug 11:08 abends von
Brake nach Nordenham wie bisher
unverändert

Die Züge zwischen Hude und Berne-
Huntebrück, sowie der gemischte Zug
5:14 vorm. von Brake nach Norden-
ham werden nicht geändert.

Die zum Anschluss an die
Personenzüge verkehrenden Fähr-
dampfer von Geestemünde nach Nor-
denham werden ebenfalls 20 Minuten
verfrüht, wärend ihre Fahrten von
Nordenham nach Geestemünde im
Anschluss an die Personenzüge um
durchschnittlich 15 Minuten verspätet
werden.

Der Fahplan des Fährschiffes
zwischen Dedesdorf und Kleinensiel
erfährt au gleichem Anlaß eine
Änderung derart, daß die Fahrten
von Dedesdorf um etwa 20 Minuten
verfrüht, nach Dedesdorf um etwa
15 Minuten verspätet werden.

Die zur Umleitung des Verkehrs
über Loy bisher gefahrenen Sonder-
züge (Anschlusszüge) kommen mit dem
genannten Tage in Wegfall.

 

Großherzogliche Eisenbahn-Direction


Nachrichten für Stadt und Land (Oldenburg) (16.07.1900)

Die Zerstörung der Huntebrücke vor dem Seeamt Brake.

Brake . 14 . Juli.

Vorstzender Amtsrichter Becker, Beisitzer Hafentneister Sofath - Elsfleth, Kapitän Fesenfeld - Elsfleth, Hafenmeister Groninger - Nordenham und Kapitän G. Eilers - Brake . Reichskommissar Korvettenkapitän a. D. Georgi aus Oldenburg.

Einziger Gegenstand der Verhandlung war der Unfall des Schleppschiffes „Weserzeitung" am 29. Juni d. J. an der Eisenbahnbrücke über die Hunte bei Elsfleth.

„Weserzeitung", Schiffer Peper, ist ein Hamburger Leichter von 300,9 Reg.-T. In der Nacht zum 29. Juni befand sich der Leichter im Tau des Schleppers „Bremerhaven", um von Lienen die Hunte auswärts nach Oldenburg zu fahren, wo man Flaschen laden wollte . Der Schlepper „Bremerhaven" ist Eigentum der oldenburger Glashütte, hat einen Raumgebalt von 15,3 Kubikmeter netto und eine Maschine von 40 Pferdestärken. Der Führer des „Bremerhaven" war erkrankt, und vertretungweise hatte mit Einwilligung der Glashütte der Schiffer Celis die Führung übernommen. Celis hat kein Patent für Dampfer, sondern nur für Segelschiffe aus der Weser. Am Morgen des 29. Juni gegen. 3 Uhr, eine Stunde vor Hochvasser, bei schönem, windstillem Wetter , näherte man sich der Brücke. Diese ruht aus drei steinernen Pfeilern, die je 32.5 Meter von einander entfernt sind Zwischen dem Elsflether Ufer und dem ersten Pfeiler befindet sich eine 12,5 Meter lange Drehbrücke zum Durchlass der Schiffe. Diese Brücke ist nachts geöffnet, die Durchfahrt durch Laternen bezeichnet, Wärter sind nachts nicht anwesend . Am Elsflether Ufer entlang befindet sich zu beiden Seiten der Brücke ein Leitwerk, vor demselben Du D' Alben . Die Hunte macht kurz vor der Brücke unterhalb derselben eine Einbuchtung, so daß die von unten kommenden Schiffe gezwungen sind , um die Durchfahrt zu erreichen , eine scharfe Kurve nach dem Ufer zu machen. Es widersprechen sich nun die Angaben der Führer beider Schiffe darüber, wann der Schlepper nach der Landseite ausgewichen ist. Der Leichter wurde so stark herübergeholt , daß er mit dem Duc D' Alben kollidierte, von diesem jetzt abprallte und gegen die Brücke gedrängt wurde . Der Schiffer Peper vom Leichter suchte die Kollision dadurch zu vermeiden , daß er seinen Anker fallen ließ und Backbordruder gab; weil aber der Schlepper in diesem Augenblick die Trosse loswarf, da der Schiffer Celis befürchtete , daß der Schlepper von dem Leichter umgerissen würde, so war die Kollision nicht zu verhindern. Der unbeladene Kahn, der etwa 10" höher lag , als der unterste Rand der Brücke, hob diese aus ihren Lagern. Vom ersten Pfeiler wurde sie etwa 1 Fuß aus dem Lager gehoben , vom zweiten Pfeiler bis zur Mitte desselben vorgeschoben, so dass sie mit dem Gitterwerke durchgebogen halb vom Pfeiler herunterhing . Auf dem dritten Pfeiler war die Brücke im Lager geblieben , von den Pfeilern selber war der erste wenig , der zweite erheblich beschädigt. Der Schlepper, der mit voller Kraft gefahren war und erst mit dem Loswerfen der Trosse gestoppt hatte , kehrte jetzt zurück, machte den Kahn frei und setzte dann mit diesem die Reise nach Oldenburg fort.

Über das Passieren der Brücke besteht eine Verordnung vom 15. April 1899, nach welcher größere Schiffe überhaupt immer , kleinere Schiffe bei schlechtem Wetter und bei Nacht die Durchfahrt mit dem Strom nicht in voller Fahrt passieren dürfen. Sie haben am Leitwerk zu stoppen und dann sich hindurch treiben zu lassen. Im vorliegenden Falle ist das nicht geschehen. Es geschieht nach Aussage der beiden Brückenwärter überhaupt fast nie. Herr Baurat Hossmann , der als Sachverständiger bei der Verhandlung zugegen war, führt die Schwierigkeit beim Passieren der Brücke namentlich auf die scharfe Kurve zurück, die von unten kommende Schiffe zu machen gezwungen sind . Bei einiger Vorsicht sei diese Schwierigkeit allerdings nicht sehr groß; es würde sich empfehlen, das Passieren mit dem Strom überhaupt zu verbieten; auch möchte es sich empfehlen, für die Hunte Zwangslotsen anzustellen . Eine wesentliche Verbesserung würde es auch sein, wenn die Brücke umgebaut und eine zweite Durchfahrtöffnung eingerichtet würde. Der Reichskommissar führt aus , daß den Leichter keine Verantwortung treffe, diese trage allein der Schlepper, und da sei es zu tadeln, daß die Glashütte einem Schiffer die Führung des Schleppers übertragen, der dazu nicht befugt gewesen. Der Spruch des Seeamts lautet:
„ Am 29. Juni 1900 ist das Schleppschiff „Weserzeitung ", Heimathafen Hamburg , aus der Fahrt nach Oldenburg im Tau des Schleppers „Bremerhaven" bei der Durchfahrt durch die Eisenbahnbrücke über die Hunte bei Elsfleth an den untersten Duc d' Alben angerannt , hat infolgedessen nach Backbord ausgeschert und ist mit dem Vordersteven gegen die Brücke gerannt , so daß diese erheblich beschädigt ist. Ob das Anrennen an den Duc d ' Alben auf ungeschickte Führung des Schleppers oder schlechtes Steuern des Leichters zurückzuführen ist , ist nicht festzustellen, da sich die Aussagen der Zeugen widersprechen. Zu rügen ist, daß der Schlepper, wenn auch nur aushilfsweise , einem Schiffer übertragen war. der nicht befugt war, einen Dampfer auf der Hunte zu fahren . Nach Erachten des Seeamts dürfen größere Schleppkähne die Brücke mit dem Strom nicht in Fahrt passieren , sondern es ist geboten , daß sie sich hindurch treiben, lassen. Wünschenswert wäre es, wenn sich ständig ein Wärter an der Brücke aufhielte, besonders auch dazu , daß die für das Passieren bestehenden Vorschrfsten auch wirklich befolgt werden."


Nachrichten für Stadt und Land (Oldenburg) (27.08.1900)

Die angerannte Eisenbahnbrücke über die Hunte bei Elsfleth wird heute nach ihrer Reparatur abermals einer Belastungsprobe ausgesetzt. Damit sind die Arbeiten aber noch nicht beendet. Voraussichtlich dauert der Umsteigeverkehr noch bis Dezember; vom 1. Oktober an wird ein besonderer Fahrplan dafür in KRaft treten. Von einer Doppelbrücke, eine für den Eisenbahn- und eine für den Fußgängerverkehr, die nach mehreren Zeitungen des Landes geplant sein soll, wird schon der Umstände halber, die die Bedienung verursachen würde, abgesehen werden müssen.


Nachrichten für Stadt und Land (Oldenburg) (13.09.1900)

Elsfleth, 12. September. Wie es heißt, soll an der Eisenbahnbrücke über die Hunte noch eine kliene Reparatur vorgenommen werden, nach deren Beendigung die Züge wieder die Brücke befahren können.


Nachrichten für Stadt und Land (Oldenburg) (17.09.1900)

Elsfleth Die hiesige Eisenbahnbrücke wird seit heute wieder von den Fahrplanmäßigen Personenzügen befahren. Doch wird die Überführung jedes Zuges über die Brücke selbst durch eine Lokomotive besorgt.


Bericht an den Landtag (14.11.1900)

An den Landtag des Großherzogthums.

Am Morgen des 29. Juni d. I . ist die aus 3 festen Jochen von je 31,5 m Lichtweite und aus einem Drehjoch von 12,25 m Durchlaßweite bestehende Eisenbahnbrücke über die Hunte am Ohrt bei Elsfleth durch den Schleppkahn „Weserzeitung" erheblich beschädigt worden, indem das Schiff die Durchlaßöffnung verfehlte und den festen Theil der Brücke so traf, daß die der Durchlaßöffnung zunächst benachbarten festen beiden Ueberbauten von ihren Lagern und zum Theil selbst von ihren Pfeilern abgeschoben und verbogen, sowie in einzelnen Konstruktionstheilen vollständig zerstört wurden. Die dadurch außer Betrieb gesetzte Brücke wurde zunächst soweit rekonstruirt und darnach durch Joche gestützt, daß sie für den Personenverkehr, zunächst unter Umsteigen, am 12. Juli d. J. und für den gesammten Verkehr provisorisch am 24. September wieder in Betrieb genommen werden konnte, nachdem übrigens der Umsteigebetrieb am 16. September d.J. hatte wieder aufgehoben werden können. Die Entschließungen über die Stützung der Brücke durch Joche und ihre Wiederinbetriebnahme mit Maschinen wurden vorher ausgesetzt, weil es für zweckmäßig erachtet werden mußte, vor ihrer Wiederbelastung zunächst ein unparteiisches Gutachten über die verminderte Widerstandsfähigkeit und über die Höhe des durch den Kahn angerichteten Schadens einzuholen, welch' letzterer nach dem gedachten Gutachten und abgesehen von dem erwachsenen erhöhten Betriebsaufwand auf
16 424 M 60 Pf abgeschätzt worden ist.

Im Übrigen hatten die Untersuchungen des äußeren Zustandes der Brücke von fachkundiger Seite und insbesondere auch der Qualität ihres Materials von Seiten der technischen Versuchsanstalt in Charlottenburg an 23 Versuchsstäbcn ergeben, daß die Aufwendung weiterer Mittel auf die Rekonstruktion der beschädigten Ueberbauten der Brücke nicht sich empfahl. Das Material der Brücke
erwies sich als derart minderwerthig und von so verschiedener Qualität, daß die Verantwortung dafür, mit sonst als geeignet anzusehenden Verstärkungen auch wirklich die der letzteren am meisten benöthigten Stellen zu treffen, nicht übernommen werden konnte. Es ist dies Ergebniß wohl einerseits Folge der gewaltsamen Beanspruchung der Brücke durch die Kollision mit dem Schiffskörper, andererseits indessen ließ sich nicht verkennen, daß auch abgesehen davon sowohl das Material der Ueberbauten an sich, als auch die Konstruktion, zu welcher es früher zusammengefügt wurde, den heutigen, an die Festigkeit solcher Konstruktionen zu stellenden Anforderungen schon seit einiger Zeit nicht mehr entsprach, ein Mangel, der nicht nur den beiden beschädigten Ueberbauten, sondern der ganzen Brücke anhaftet. Dieser Mangel hat dann, als er erkannt wurde, auch schon früher Veranlassung gegeben, die Brücke in mehrfacher Beziehung zu verstärken und blieb die Veranlassung, daß die Brücke niemals mit unseren in den letzten Jahren beschafften schwereren Lokomotiven befahren werden konnte

Ohne Zweifel würde der Ausschluß dieser Maschinen von der Strecke Hude-Brake — auch die kleinen Brücken über die Hafeneinfahrt zu Elsfleth und über das Elsflether Tief warten noch des Umbaues dafür — noch einige Jahre sich haben verantworten lassen; allein der Ersatz der Huntebrücke durch eine neue Brücke war innerhalb des Staatsministeriums und der Eisenbahndirektion doch wiederholt schon erwogen worden, und er würde auf die Dauer um so weniger sich haben von der Hand weisen lassen, als der Brücke, abgesehen von ihren vorerwähnten Mängeln, bekanntlich noch der weitere Mangel anhaftet, daß die Weite ihrer Durchlaßöffnung sehr klein und die letztere selbst nicht mehr in der natürlichen Stromrinne der Hunte gelegen ist, sodaß also auch in Bälde die Berücksichtigung der Interessen der Schifffahrt auf der Hunte zu einer gänzlichen Umgestaltung wenigstens der Drehbrücke hätte führen müssen. Würde man also später zu dieser Umwandlung und aus Anlaß der eingetretenen Beschädigung im vorigen Sommer vorerst zu dem Ersatz der beschädigten beiden Ueberbauten durch neue und kräftigere Konstruktionen sich entschlossen haben, so würden diese neuen Ueberbauten der zukünftigen Erweiterung der Durchlaßöffnung wieder im Wege gelegen haben, außerdem aber hätte die Brücke alsdann immer noch einen, zwar unbeschädigten, aber nach wie vor mit dem Mangel einer unzulänglichen, veralteten Konstruktion aus minderwerthigemMaterial behafteten dritten festen Ueberbau aufzuweisen gehabt, der weiter die Veranlassung geblieben wäre, die schweren Maschinen von dem Verkehre über die Brücke auszuschließen.

Unter solchen Umständen gelangte die Staatsregierung zu der Ansicht, daß die Gelegenheit des erforderlichen Ersatzes der Brücke auf mehr als die Hälfte ihrer Länge durch andere Konstruktionen benutzt werden mußte, von Grund aus Wandel zu schaffen. Die Gelegenheit dafür war und ist um so günstiger, als gerade2 ausreichend starke und geeignete Ueberbauten an anderer Stelle der Bahn entbehrlich werden und, ohne erhebliche Umarbeiten darauf verwenden zu brauchen, für den Umbau der Brücke benutzt werden könnten, so daß unter Hinzulegen der Lichtweite des der Drehbrücke zunächst benachbarten Ueberbaues zur Drehbrücke im wesentlichen weiter nichts, als die Ausführung einer neuen Drehbrücke mit einem neuen DrehPfeiler und dem sonst erforderlichen Zubehör erübrigte. Die vorhandenen Pfeiler, von welchen nach solchem Projekte
übrigens der zwischen der Drehbrücke und der festen Brücke zu beseitigen wäre, könnten wicdcrbenutzt werden. Die beiden neuen Ueberbauten konnten aus der Brücke' über den Sicherheitshafen in Bremen-Neustadt gewonnen werden, die, nachdem der Hafen bereits zugeschüttet worden ist, durch einen gewöhnlichen Bahnkörper ersetzt werden wird, während die Zweckmäßigkeit der Erweiterung der Drehbrücke um die Lichtweite der ihr zunächst gelegenen festen Oeffnuug und damit zu einer zweiarmigen Brücke durch die Oertlichkeit in Verbindung mit den vorgeschilderten Umständen gegeben war. Ueber die Vertheilung der zur Verfügung stehenden und mehr als ausreichenden Gefammt-Durchlaßweite auf die ein zelnen beiden Durchlaßöffnungenwar mit einer Reihe sachkundiger Interessenten ohne weiteres Einverständniß dahin erzielt worden, daß die Weiten beider Oeffnnngcn verschieden groß anzuordnen seien, daß die größte beider Weiten an die feste Brücke anzuschließen und so zu bemessen sei, daß für die kleinere, am linken Hunteufer gelegene Durchlaßöffnung auch nach einem eventuell später hinzuzufügenden zweiten Brückengleise noch dieselbe Weite von 16 na übrig bleibe, welche für die Durchlaßöffnung der neuen Straßenbrücke bei Huntebrück für erforderlich erachtet worden ist. Es ergab sich daraus eine Lichtwcite von 21,4 na für die größere und von vorläufig 19,3 na für die kleinere Durchlaßöffnung. Zum Vergleiche mag angeführt werden, daß jede der beiden
Durchlaßöffnungen der Weserbrücke bei Bremen 17,92 in und die der Emsbrücke bei Weener 20,00 na weit ist, während die Durchlaßöffnuug der vorhandenen Huntebrücke am Ohrt, wie schon bemerkt, 12,25 in Lichtweite aufweißt.

Durfte einerseits sowohl das nach Vorstehendem festgelegte Projekt an sich als auch seine Ausführung bei eingetretener Veranlassung als zweckmäßig anzuerkennen sein, so mußte aber auch andererseits als dringlich erscheinen, den bestehenden Zuständen so rasch wie möglich abzuhelfcn. Es stand nicht fest, ob die Brücke durch Joche sich noch würde stützen lassen, oder ob der Umsteigebetrieb an der Brücke weiter hätte ertragen werden müssen. Im crsteren Falle war es gerathen, mit den Jochen möglichst nicht zu überwintern, im letzteren Falle Pflicht, die geeigneten Mittel zu ergreifen, dem gedachten Zustande spätestens vor Eintritt rauheren Wetters ein Ende zu machen, in jedem Falle drängten die Verhältnisse zur Inangriffnahme des Umbaues, beziehungsweise zur Rekonstruktion des beschädigten Theiles der Brücke.

Für die letztere sind auf Pos. 121 (Sonstige und unvorhergesehene Ausgaben) des Etats der Betriebskasse für die laufende Finanzperiode jährlich 30 000 M, im Ganzen also 90 000 M vorgesehen und diese Mittel
würden mehr als ausgereicht haben, um die Brücke wieder in ihren vormaligen Zustand zu versetzen. Nach den Absichten der Staatsregierung und dem vorerörterten Projekte handelte es sich indessen nicht nur um einen Ersatz, sondern im Wesentlichen um eine Verstärkung und Verbesserung der Brücke zum Gesammtbetrage von 132 000 M der, weil er den Betrag von 60 000 M übersteigt und ihn auch nach Abzug der Entschädigung seitens der Eigenthümerin des Schiffes, welches den Schaden anrichtete, noch übersteigen wird, auf den Baufonds zu übernehmen war, auf welchem der Staatsregierung indessen Mittel für unvorhergesehene Ausgaben bekanntlich nicht zur Verfügung stehen.

Die Staatsregierung würde die ganze Angelegenheit daher von vornherein vor einen außerordentlich zu berufenden Landtag gebracht haben, wenn ihre Erledigung auf dessen in Aussicht genommenen Zusammentritt hätte warten können. Bei Dringlichkeit der Sache, und um die Berufung des Landtages zweimal kurz hintereinander zu vermeiden, ließ sie daher mit Bezugnahme auf Artikel 193 des Staatsgrundgesctzes beim ständigen Landtagsausschusse beantragen, er möge gutachtlich damit sich einverstanden erklären, daß unverzüglich mit den nach Vorstehendem am dringlichsten zu erachtenden Arbeiten gemäß Umbauprojektes
begonnen werde.

Es waren dieses die Auswechselung, beziehungsweise Unterstützung der drei festen Ueberbauten und der Aufbau des neuen Drehpfeilers der Brücke. Insbesondere mußte auch die Inangriffnahme des Pfeilerbaues aus dem Grunde eilig erscheinen, weil er das geeignete Mittel für die provisorische Abstützung des der Drehbrücke zunächst gelegenen und später zu beseitigenden festen Ueberbaues bei später zu erwartendem Eisgänge in der Hunte bieten wird, und weil bei Aufschub dieses Pfeilerbaues zu befürchten stand, daß es nicht mehr gelingen dürfte, die Arbeiten vor Wiederaufnahme des lebhafteren Schiffsvcrkehres im nächsten Jahre
zu vollenden, dieser vielmehr eine durch die Bauarbeiten gesperrte Durchlaßöffnuug an der Brücke antreffen müßte.

Der ständige Landtags-Ausschuß hat dem vorgenannten Ersuchen in seiner Sitzung vom 12. September in der Voraussetzung entsprochen, „daß mit der Fundierung des Drehpfeilers gemäß Versicherung des Staatsministeriums raschest thunlich begonnen und der Bau desselben nach besten Kräften gefördert werde", und hat die Staatsregieruug um so weniger Bedenken getragen, darauf ihrerseits in vorgeschriebener Weise mit dem Umbau zu beginnen, als das Projekt bis dahin überall auch bei bctheiligtcn anderen Stellen und sachverständigen einstimmige Billigung gefunden hatte, und nicht Wohl zu bezweifeln war, daß unter obwaltenden Umständen und gegebenen Verhältnissen sowohl das Projekt, als auch der Beginn seiner Ausführung nachträglich die Zustimmung des geehrten Landtages erhalten würd.

Darnach läßt die Staatsregierung beantragen, indem sie weitere Auskunft den mündlichen Verhandlungen Vorbehalten darf:

der geehrte Landtag wolle dem vorgenannten Projekte des Umbaues der Eisenbahnbrücke über die Hunte am Ohrt bei Elsfleth und der bereits erfolgten Inangriffnahme des Baues nachträglich seine Zustimmung ertheilen, sowie damit sich einverstanden erklären, daß die für den Umbau im Ganzen zu 132 000 M veranschlagten Kosten auf den Bausands übernommen werden.

Es wird dazu bemerkt, daß dem Baufonds aus der vergangenen Finanzperiode an Ueberschüssen der Betriebskasse und an Ersparungen rund 350 000 M mehr zugeflossen sind, als veranschlagt werden konnte.

Oldenburg, den 14. November 1900.

Staatsnnmsterium.
Willich.


Selbst über 100 Jahre später rauschen dort immer noch Schiffe in die Brücke

https://bauprojekte.deutschebahn.com/p/elsfleth-hunte-eue