Vorläufige Verwaltungsverordnung der Reichseisenbahnen
Vom 26. April 1920

l. Allgemeines

§ 1

1. Die Reichseisenbahnen besteben aus den bisherigen deutschen Staatseisenbahnen, und zwar aus den vereinigten preußischen und hefssischen, den bayerischen, sächsischen, württemberagischen, badifschen, mecklenburgischen und den oldenburgischen Staatseisenbahnen.

2. Die Reichseisenbahnen werden als einheitliche Verkehrsanstalt und als selbständisches wirtschaftliches Unternehmen verwaltet und betrieben

II. Reichseisenbahnbehörden und Zuständigkeiten

§ 2

1. An der Spitze der Reichseisenbahnverwaltung steht der Reichsverkehrsminister.

2. Er übt seine Befugnisse mit Hilfe eines oder mehrerer Stellvertreter (Staatssekretäre) durch die Eisenbahnabteilungen und durch die Zweigstellen des Reichsverkehrsministeriums aus.

3. Zweigstellen des Reichsverkehrsministeriums sind:

  1. Für den Bereich der früheren vereinigten preußischen und Hessischen Staatseitsenbahnen: die bisherigen Eisenbahnabteilungen des preußischen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten unter der Bezeichnung „Reichsverkehrsministertum, Zweigstelle Preußen-Hessen". Die bisherige Eisenbahnabteilung des Hessischen Finanzministeriums wird im Rahmen ihrer Befugnisse aus dem Staatsvertrage zwischen Preußen und Hessen über die gemeintschaftliche Verwaltung des beiderseitigen Eifenbahnnetriebes vom 25. Juni 1896 an den Geschäften der Zweigftelle beteiligt.
  2. Für den Bereich der früheren bayerischen Staatseisenbahnen: die bisher für die Eisenbahnangelegenbeiten zuständigen Teile des Bayerischen Verkehrsministeriums, unter der Bezeichnung „Reichsverkehrsministerium, Zweigstelle Bayern"
  3. Für den Bereich der früheren sächsischen Staatseisenbahnen: die bisherige Eisenbahnabteilung des Sächsischen Finanzministeriums unter der Bezeichnung „Reichsverkehrsministerium, Zweigstelle Sachsen‘‘.
  4. Für den Bereich ber früheren württembergischen Staatseisenbahnen: die bisherige Verkehrsabteilung des württembergischen Ministeriums der auswertigen Angelegenheiten unter der Bezeichnung „Reichsverkehrsministerium, Zweigstelle Württemberg‘‘.
  5. Für den Bereich der früheren badischen Staatseisenbahnen: die bisherige Eisenbahnabteilung des Badischen Finanzministeriums unter der Bezeichnung „Reichsverkehrsiministerium, Zweigstelle Baden".
  6. Für den Bereich der früheren mecklenburgischen Staatseisenbahnen: die Eisenbahn-Generaldirektion in Schwerin ohne befondere Bezeichnung.
  7. Für den Bereich der früheren oldenburgischen Staatseifenbahnen: die Eisenbahhndirektion in Oldenburg ohne besondere Bezeichnung.

§ 3

Die Zuständigkeit des Reichsverkehrsministertums erstreckt sich auf folgende Angelegenheiten: Aufsicht, Oberste Leitung, Festlegung des Haushalts, Verteilung der Haushaltsmittel, Regelung der allgemeinen Verkehrspolitik, Festlegung allgemeiner Dienstvorschriften, Erlaß einheitlidher Vorschriften für Rechts- und Dienstverhältnisse des Personals, für das Kassen- und Rechnungswesen und für die einzelnen Dienstzweige des Betriebs, Verkehrs und Baues, Vertretung der Verwaltung gegenüber der Reichsregierung, dem Reichsrat und dem Reichstag. Zur Erfüllung dieser Aufgaben steht dem Reichsverkehrsminister ein durchgreifendes Anordnungsrecht zu. Im einzelnen ergeben sich die Zuständigkeiten aus der Anlage.

§ 4

1. Mit dem Inkrafttreten dieser Vermwaltungsordnung übernimmt der Reichsverkehrsminister die oberste Leitung der Reichseisenbahnen und die Vertretung der Verwaltung gegenüber der Reichsregierung, dem Reichsrat und dem Reichstag. Ihm steht hierzu ein durchgreifendes Anordnungsrecht zu.

2. Die übrigen Aufgaben gemäß § 3 übernimmt der Reichsverkehrsminister nach und nach für alle Länder gleichmäßig bis zum 1. April 1921; er verlängert nötigenfalls diese Frist.

§ 5

1, Die Zweigstellen erledigen außer den zur Zuständigkeit des Reichsverkehrsministeriums gehörenden, vom Reichsverkehrsminister noch nicht übernommenen Angelegenheiten (vgl. § 4 Abs. 2) bis auf weiteres auch diejenigen Verwaltungsgeschäfte, die von den bisherigen Landeszentralbehörden auf sie übergehen.

2. Sie können mit Genehmigung des Reichsverkehrsministers den Geschäftskreis der nachgeordneten Stellen anderweit festsetzen.

§ 6

1. Dem Reichsverkehrsminister und den Zweigstellen unterstehen die Eisenbahn-Generaldirektionen, die Eifenbahndirektionen, die zentralen Ämter sowie die ihnen nachgeordneten Dienststellen. Dem Reichsverkehrminister untersteht ferner die Reichseisenbahn-Zweigstelle in Karlsruhe.

2. Sie führen ihre Geschäfte im Namen und für Rechnung des Reichs bis auf weiteres nach Maßgabe der bisherigen Vorschriften.

III. Geschäftsverkehr der Reichseisenbahnbehörden

§ 7

1. Die Zweigstellen werden auch in den von ihnen an den Reichsverkehrsminister abgegebenen Gefchäften über wichtige Angelegenheiten dauernd unterrichtet werden, Das Nähere wird durch befondere Anordnung des Reichsverkehrsministers geregelt.

2. Der Reichsverkehrsminister behält sich vor, mit allen Stellen der Reichseisenbahnverwaltung unmittelbar zu verkehren. Soweit hierbei ein schriftlicher Verfehr mit einer nicht unmittelbar untergeordneten Stelle stattfindet, wird die Beteiligung der Zwischenstellen dadurch sichergestellt, daß der Schriftverkehr durch die Zwischenstellen durchläuft oder ihnen in dringenden Fällen abschriftlich zur Kenntnisnahme zugeht.

 § 8

1. Die Zweigstellen unterrichten den Reichsverkehrsminister möglichst frühzeitig von allen wichtigen Maßnahmen, die sie innerhalb seiner Zuständigkeit treffen wollen.

 2. Über Vorgänge und Maßnahmen, deren Kenntnis für den Reichverkehrsminister von Wert ist, ist ihm auch dann Bericht zu erstatten, wenn die in Frage kommenden Angelegenheiten ihm nicht vorbehalten sind.

IV. Geschäfte von Landesverwaltungen 

Auf Antrag einer Landesregierung wird der Reichsverkehrsminister den Reichseitsenbahnbehorden Geschäfte der Landesverwaltung auf dem Gebiete des Verkehrswesens übertragen. Für die Erledigung dieser Geschäfte sind die Anweisungen der obersten Landesbehörden maßgebend.

Berlin, den 26. April 1920,

Der Reichsverkehrsminister

Dr. Bell